Werkstattgespräch der CDU: Reden hilft, hoffentlich

Die neue CDU-Chefin hat das Gespräch mit ihrer Partei gesucht. Das Werkstattgespräch sollte deren Selbstheilungskräfte aktivieren.

Annegret Kramp-Karrenbauer zwischen zwei Männern

Hatte zum Gespräch geladen: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa

BERLIN taz | Reden hilft bekanntlich. Ob Paare, Potentaten oder Koalitionäre – es ist grundsätzlich von Vorteil, miteinander in den konstruktiven Dialog zu treten. Und gerade wenn der Streit abflaut, sollte man noch mal schauen: Was ist vorgefallen? Will man eine gemeinsame Zukunft haben? Wie wollen wir in der nächsten Krise verfahren?

Gerade hat die neue CDU-Chefin das Gespräch mit ihrer Partei gesucht. Während dreieinhalb Kilometer Luftlinie entfernt die Sozialdemokraten im Willy-Brandt-Haus selbstbewusst ihre Sozialstaatsreform verkünden, versucht man im Konrad-Adenauer-Haus, Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Zwei Tage lang – eigentlich waren es gerade mal 24 Stunden inklusive Nachtschlaf – hatten Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr ebenfalls neuer Generalsekretär Paul Ziemiak zum „Werkstattgespräch Migration, Sicherheit und Integration“ eingeladen. Eine Mischung aus Expertengesprächen und Arbeitsgruppen bildete den organisatorischen Rahmen.

Am Montag traf man sich in vier Gruppen, um über die Themen europäischer Außengrenzschutz, Ordnung und Steuerung von Migration, innere Sicherheit und Abschiebepraxis sowie über Integration vor Ort zu diskutieren. Nachmittags stellte der neue Generalsekretär Paul Ziemiak die „sehr konkreten“ Ergebnisse vor, abgebunden wurde schließlich am Nachmittag die Debatte von der Chefin selbst. „Was müssen wir tun, um das, was 2015 passiert ist, in Zukunft zu verhindern?“ hatte sie zuvor als Arbeitsmotto ausgegeben.

Der Titel der ganzen Veranstaltung hätte ehrlicherweise „Werkstattgespräch zu Angela Merkels Geflüchtetenpolitik“ lauten müssen. Aber so sind sie nicht bei den Konservativen, ganz offen über Merkel herzuziehen. Gleichwohl dient die Veranstaltung durchaus der Überwindung eines Partei-Traumas. Denn kaum etwas hat die CDU in eine derart tiefe Krise geritten wie die innen- und europapolitischen Ereignisse der zurückliegenden Jahre.

Gefährliche Anti-Merkel-Phalanx

Zum einen war da die Kanzlerin, die in einem Akt der Mitmenschlichkeit und im Vertrauen auf ihre politische Kraft im Spätsommer 2015 die Grenze für Menschen in höchster Not nicht geschlossen hat. Zum anderen war da die schnell sichtbar werdende Struktur- und Verwaltungskrise als Folge fortgesetzter neoliberaler Innen- und Außenpolitik.

Und zum Dritten war da diese sich fast verweigernde, nicht erklären wollende Haltung der Regierungschefin; eine kommunikative Blindstelle, an der Rechtspopulisten mühelos anzudocken verstanden. Innerhalb der CDU entstand eine gefährliche Anti-Merkel-Phalanx, die sich rasend schnell auf die CSU übertrug und zu einer tiefen Koalitionskrise führte.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich für die Einführung eines aktuellen „Migrations-Monitorings“ ausgesprochen. Damit solle ein Frühwarnsystem für Migrationsbewegungen und Krisen aufgebaut werden, damit eine Situation wie bei der Flüchtlingskrise 2015 nicht mehr entstehen könne, sagte Kramp-Karrenbauer am Montag zum Abschluss eines zweitägigen „Werkstattgesprächs“ ihrer Partei zu den Themen Migration, Sicherheit und Integration in Berlin. Damals waren Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak weitgehend unkontrolliert nach Deutschland eingereist.

Nötig sei ein intelligentes Grenzregime, das anlassbezogen eingesetzt werden könne. Die CDU wolle die deutschen Grenzen europakompatibel schützen, sagte Kramp-Karrenbauer. Sie bekannte sich zum individuellen Asylrecht, betonte aber auch, wer wolle, dass dieses Recht erhalten bleibe, müsse dafür sorgen, dass jenen, die diesen Schutz ausnutzten, ein klares Signal gesetzt werde: „Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt.“ (dpa)

Mit dem „Werkstattgespräch“ versucht Annegret Kramp-Karrenbauer nun, ihre Partei neu zu justieren und für die Zukunft handlungsfähiger zu machen. Denn zurückzudrehen wäre da nichts. Zum anderen zeigt Kramp-Karrenbauer, dass sie Wort hält und tatsächlich auf andere, bessere Weise zu kommunizieren versteht als ihre Vorgängerin.

Ihr ist daran gelegen, das Thema Flucht und Migration einerseits zu entmystifizieren, auf dass es für die CDU nicht zum gleichen Menetekel wird wie Hartz IV für die SPD. Zum anderen muss sie das Kunststück fertigbringen, sich von Merkel zu emanzipieren, ohne sie zu denunzieren. Die Frage ist, ob das funktionieren kann. Die 24 Stunden von Berlin stimmen da optimistisch.

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