Zwickauer Terrorgruppe: Mordversuch per Schussanlage?

Die Polizei untersucht, ob die Zwickauer Terrortruppe auch versuchte, einen Duisburger Migranten zu ermorden. In ihrem Haus wurde eine Selbstschussanlage gefunden.

Noch immer werden neue Spuren entdeckt: Haus der Terrorzelle in Zwickau. Bild: dpa (Archivaufnahme)

Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle könnte für einen weiteren Mordanschlag auf einen in der Türkei geborenen Migranten verantwortlich sein. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) prüft derzeit, ob die Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hinter dem Beschuss eines Gastwirts in Duisburg im Jahre 2003 steckten. Das bestätigte der Sprecher des NRW-Innenministeriums, Ludger Harmeier, der taz.

Der zur Tatzeit 34-jährige Wirt sollte mit einer aus Wasserrohren zusammengebastelten Selbstschussanlage getötet werden. Während der Mann in seiner Kneipe "Sidney" im Bahnhof von Duisburg-Meiderich arbeitete, müssen die Täter eine Angelschnur an den Scheibenwischern seines Renault befestigt haben. Die führten zum Auslöser des auf einem Bahndamm aufgestellten Geräts.

Als der Gastronom gegen 2 Uhr 30 schloss und gemeinsam mit einer Bekannten losfuhr, löste sich ein äußerst präziser Schuss: Der durchschlug die Frontscheibe des Autos – der Fahrer überlebte nur, weil er sich in diesem Moment nach einem auf dem Wagenboden liegenden Gegenstand bückte. Durch einen Treffer in die Schulter wurde er aber schwer verletzt.

Zur Mordserie der Zwickauer Neonazi-Zelle wird es aller Voraussicht nach einen Bundestags-Untersuchungsausschuss geben. Die SPD-Fraktion wolle einem entsprechenden Antrag der Grünen zustimmen, sagte ein Sprecher am Samstag auf Anfrage. Er bestätigte damit einen Vorabbericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Ausschuss soll unter anderem ein Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung der Terrorzelle und der Aufklärung ihrer Straftaten untersuchen. Laut dem Bericht könnte der Untersuchungsausschuss um Ostern herum seine Arbeit aufnehmen. Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt, wenn mindestens ein Viertel der Parlamentarier dafür votiert. (dpa)

Noch betonen die Behörden allerdings, ihre Ermittlungen seien eine reine Routineangelegenheit – wie überall im Bundesgebiet hat auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) angeordnet, alle ungeklärten Mordfälle mit denkbarem rechtsterroristischem Hintergrund neu aufzurollen. "In dem Bekennervideo der Terrorzelle wird der Duisburger Anschlag jedenfalls nicht genannt", so Jägers Sprecher Harmeier.

Kein Zusammenhang mit Düsseldorfer Sprengstoffanschlag

In einen ähnlich gelagerten Fall, dem Sprengstoffanschlag im Juli 2000 am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn, habe sich trotz intensiver Ermittlungen keine Verbindung zu den Zwickauer Terroristen finden lassen. Bei dem Anschlag waren damals zehn Menschen zum Teil schwer verletzt worden, als ein in einer Plastiktüte verborgener Sprengsatz mitten in einer Gruppe jüdischer Aussiedler detonierte. Eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind.

Bei dem Mordanschlag auf den Duisburger Wirt dagegen drängen sich Bezüge zu den Rechtsterroristen geradezu auf: Wie die WAZ berichtet, befand sich in der Zwickauer Wohnung, die Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Komplizen Böhnhardt und Mundlos in die Luft gesprengt hat, eine ähnliche Selbstschussanlage. "Eine solche Vorrichtung wurde gefunden", bestätigte ein Sprecher von Generalbundesanwalt Harald Range der taz.

Hintergrund der polizeilichen Zurückhaltung könnten damit auch die bisherigen Ermittlungen sein, die bis heute im Nichts verliefen. Terror von rechts als Tatmotiv wurde wie bei vielen der Opfer offenbar für kaum möglich gehalten – stattdessen wurde auch in Duisburg das private und geschäftliche Umfeld des Gastronomen verdächtigt.

Außerdem verdichten sich die Indizien, dass die Neonazis auch für das Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße 2004 mit 22 Verletzten verantwortlich sind: Wie der Focus berichtet, fanden Ermittler auf einem Computer der Zwickauer Terrorzelle zur Fahndung benutzte Bilder aus einer Überwachungskamera, die Böhnhardt und Mundlos zeigen. Benannt hatten sie ihre Dateien stolz nach ihren Tarnnamen: "Gerri" und "Max".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.