Eskalation auf Tempelberg

Israelische Polizisten stürmen erstmals seit Ausbruch der Intifada das islamische Heiligtum. 40 Verletzte. Palästinensische Jugendliche warfen Steine auf betende Juden an Klagemauer

JERUSALEM/BERLIN taz ■ Zum ersten Mal seit Beginn der Al-Aksa-Intifada letzten September haben gestern mehrere hundert israelische Grenzschützer und Polizisten den Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt gestürmt. Bei den folgenden schweren Zusammenstößen mit Palästinensern wurden mindestens 40 Menschen verletzt. Die israelische Polizei schoss mit gummiummantelten Patronen, die Palästinenser warfen Steine.

Die Aktion sei notwendig gewesen, „um den jüdischen Betenden an der Klagemauer Sicherheit zu gewähren“, erklärte der israelische Polizeisprecher Kobi Srihan. Im Anschluss an das islamische Mittagsgebet hatten palästinensische Jugendliche vom Tempelberg aus Steine auf den unmittelbar daneben liegenden Platz an der Klagemauer geworfen. Dort waren anlässlich des jüdischen „Tisha Be Aw“, dem Jahrestag der Zerstörung des Zweiten jüdischen Tempels vor knapp 2.000 Jahren, einige hundert orthodoxe Juden zusammengekommen. Der Platz vor der Klagemauer musste vorrübergehend geräumt werden.

Auslöser der schweren Ausschreitungen war die symbolische Grundsteinlegung für einen „Dritten Tempel“ an der Stelle, wo heute der muslimische Felsendom und die Al-Aksa-Moschee stehen. Die radikale jüdische Gruppe „Getreue des Tempelbergs“ hatte zu diesem Zweck einen 4,5 Tonnen schweren Felsen bis zur Altstadt gebracht. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hatte in der vergangenen Woche die Genehmigung dazu erteilt. Die radikale palästinensische Organisation Hamas hatte die palästinensische Bevölkerung deshalb aufgerufen, den Haram asch-Scharif, wie der Tempelberg von Muslimen genannt wird, „bis zum letzten Mann“ zu verteidigen. Nach den Zusammenstößen beruhigte sich die Lage in Jerusalem zunächst wieder.

Im Westjordanland und im Gaza-Streifen wurden gestern bei mehreren Zusammenstößen insgesamt drei israelische Soldaten und sechs Palästinenser angeschossen. Nach wie vor sind sich Israelis und Palästinenser uneinig über die Frage, wie eine Gruppe von Beobachtern im Nahen Osten zusammengesetzt sein soll. SUSANNE KNAUL/HAR

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