zwischen den rillen
: Michael J. Sheehy und Spain mit Herz und Schmerz

Stumm hin, stolz zurück

Es gibt Alben, die würde man aufgrund ihrer Stimmung als Herbstplatten bezeichnen. Und ihnen sogleich nicht gerecht werden. Dieses Jahr sind das gleich zwei: Der in Los Angeles lebende Josh Haden ist der Sohn des Jazz-Bassisten Charlie Haden. Mit seiner Band Spain hat er jetzt sein drittes Album veröffentlicht, eine Sammlung von Balladen. In zehn langsamen Songs besingt Haden zumeist verflossene Lieben und angehimmelte Unnahbare. Die vierköpfige Band, in der Haden selbst den Part des Bassisten innehat, gibt den Geschichten stummer Hingabe und bitterer Nachtrauer als Folkblues-Miniaturen Gestalt. Eine Platte voller Zärtlichkeit ist das geworden, sie trägt den Titel „She haunts my dreams“ – das Titelstück ist eine dieser Erinnerungen an eine Liebe, die nicht mehr ist, und es kommt mit wenigen Zeilen aus, die lange wiederholt werden: „Oh I thought I saw her yesterday / Thought our eyes met / Now she haunts my dreams“. Eine warmherzige Platte, deren Thema es ist, dass diese Warmherzigkeit nicht erwidert wird. Haden singt, als wäre er weitaus älter, als er ist.

Michael J. Sheehy ist Ire und wohnt in London. Seine Punkrockband Dream City Film Club hatte er, bevor diese in Prügel und Missgunst implodieren sollte, nach einem Pornokino benannt, in dem bei einem Brand 36 Menschen ums Leben gekommen waren. Auch auf seinem dieser Tage erschienenen zweiten Soloalbum „Ill Gotten Gains“ geht es hart zur Sache, aber Sheehy singt mit einer bleiernen Stimme, die an den lebensmüden Elvis erinnert. Die Musik, in der dieser stolz klagende Gesang eine zweite Heimat gefunden hat, ist mit komplexer Instrumentierung einfach arrangiert. Wir hören Frauenchöre, sie klingen, obgleich für diese Platte eingesungen, wie ausgegraben oder gesampelt von irgendwelchen genialen, superraren Rock-’n’-Roll-Platten, und es gibt Streicher, Hammondorgeln und Saxofone. Die Szenarien, die Sheehy in diesen düsteren Soul- und Blues-Nummern beschreibt, könnten aus Pulp-Romanen stammen, wenn sie einem nicht so unter die Haut gehen würden.

Auch bei Sheehy geht es um Liebe, aber aus einer sarkastischen, von allen guten Geistern verlassenen Perspektive. Wüsste man nicht, dass der Sänger ein humorvoller, in einer glücklichen Beziehung lebender Endzwanziger wäre, es könnte einem Angst und Bange um ihn werden. In der Jazzballade „Tired Old Love Song“ beschreibt Sheehy den Song, den er gerade intoniert: „This is a tired old love song / Cause I’ve nothing left to say / The words are trite / Written without spite / I hope you’ll like it anyway“. In dem Stück „No One Recognized Him“ ist von der verpfuschten Karriere eines Boxers die Rede, der in einem von den Buchmachern abgesprochenen Kampf seinen Selbstrespekt verliert, in „Michael Jnr“ erzählt der Vater seinem Sohn, dass dieser im Drogenrausch gezeugt wurde und es viele Söhne gäbe und viele Mütter: „So if some boy claims to be your brother / And he looks like me but not your mother / Take that look of surprise from your face / – / At least you know the truth about your old man / Now go out and do the best you can“. Eine brutale Platte, aber sie klingt, als gäbe es sie schon immer. Wie ein lange vergessener Klassiker, der wiederaufgelegt wurde. Aufgenommen wurde „Ill Gotten Gains“ Anfang des Jahres in London.

Wie eine Antipode das Album von Spain: Auf dem in versöhnlichem Ocker gehaltenen Cover eine Braut in Weichzeichner, eine Madonnenfigur, gefaltete Hände und das Kreuz. Fast alle der Songs werden von Zweizeilern beherrscht, die durch ihre ständige Wiederholung Aussagen bekommen, die von verdichteter Intensität sind: „Mary, Mary / Put on your white lace / Mary, Mary / I know you’ll never leave“.

Wenn Josh Haden singt, dann hört man nicht, dass auch er einmal in einer Punkband gesungen hat. Seltsamerweise fällt es gleichzeitig nicht schwer, ein und dieselben Liebeslieder statt mit Jazzschlagzeug, verhaltener Orgel und Akustikgitarre eingespielt als rauhe Punknummern im Kopf zu imaginieren. Die in ihren Arrangements auf ein Minimum an Effekten reduzierten Songs könnten allesamt alte Countryballaden sein, die der Endzwanziger als Sammlung von Coverversionen neu eingespielt hat. Tatsächlich hat Haden alle Songs im vergangenen Jahr geschrieben.

Man sollte Josh Haden und Michael J. Sheehy einmal miteinander bekannt machen. Ihre beiden fast zum gleichen Zeitpunkt erschienenen Platten ähneln abgeklärten Alterswerken aus unterschiedlichen Blickwinkeln, und seltsamerweise haben beide das gleiche Problem: Kaum einer kennt sie und ihre Musik. Vielleicht klingen diese beiden Platten gerade deswegen so intim: Weil niemand ihnen zuhört? MAX DAX

Spain: „She haunts my dreams“ (Rca Us, BMG) , Michael J. Sheehy: „ Ill Gotten Gains“ (Beggars Banquet/PIAS)