Ethikrat für Import

Mehrheit des Ethikrats entscheidet für Stammzellenimport. Bundestag soll Ende Januar klare Regelungen für Stammzellforschung schaffen

BERLIN taz ■ Der von Bundeskanzler Gerhard Schröder eingesetzte Nationale Ethikrat hat gestern seine lang erwartete Stellungnahmen zum Import von embryonalen Stammzelllinien vorgelegt. Wie vorab angekündigt waren auch die 25 Mitglieder des Ethikgremiums sich nicht darüber einig, ob in Deutschland mit importierten Zellen geforscht werden darf.

Mit der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates ist jetzt zumindest der Weg frei, dass die umstrittene Importfrage auch im Bundestag debattiert werden kann. Die Abgeordneten stehen unter Zeitdruck. Schon zweimal hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen Förderantrag der Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle und Otmar Wiestler verschoben, die mit – voraussichtlich aus Israel importierten – Stammzelllinien forschen wollen. Der Antrag steht jetzt zwar noch auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des DFG-Hauptausschusses am Freitag nächster Woche, es gilt aber als sicher, dass die Entscheidung erneut verschoben wird.

Der nächste Termin wird dann der 1. Februar 2002 sein. Nur zwei Tage vorher wird sich der Deutsche Bundestag mit der Importfrage beschäftigen. Aber auch wenn sich dort eine Mehrheit gegen den Import aussprechen sollte, ist ein Gesetz unumgänglich, um die Einfuhr der umstrittenen Zelllinien zu verhindern. Denn nach dem derzeit geltenden Embryonenschutzgesetz ist zwar die Herstellung von embryonalen Stammzelllinien verboten, aber nicht der Import aus dem Ausland. Die DFG hat bereits angekündigt, dass sie im Februar endgültig entscheiden wird, „auf der Grundlage des dann geltenden Rechts“. Nur zwei Tage bleiben dann dem Bundestag, um ein Gesetz zu verabschieden. Das wird nicht zu schaffen sein.

Das jetzt vorgelegte Positionspapier ist nur ein Meinungsbeitrag, den die Abgeordneten bei ihrer Meinungsbildung zu berücksichtigen haben. So hatte sich vor wenigen Tagen erst eine Mehrheit der Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ für ein Importverbot für embryonale Stammzelllinien ausgesprochen (www.bundestag.de/gremien/medi).

Wie der Bundestag letztendlich enscheiden wird, wagt derzeit noch niemand vorherzusagen. Der Streit geht quer durch die großen Parteien. Zwar ist es noch nicht endgültig beschlossen, aber eine große Anzahl der gewählten Volksvertreter möchte, dass bei der Abstimmungen über die Importfrage der Fraktionszwang aufgehoben wird.

Die 25 Mitglieder des Nationalen Ethikrates werden sich demnächst auch grundsätzlich mit der Stammzellforschung beschäftigen. „So schnell wie möglich“, so gab der Vorsitzende des Ethikrates, Spiros Simitis, bekannt, werde man auch zur Stammzell- und Embryonenforschung Stellung nehmen. Es sei unstrittig, dass der Import von Stammzellen Rückwirkungen auf die Frage der Stammzellforschung habe. Die Äußerung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD), Klonen und Stammzellforschung hätten nichts miteinander zu tun, wies Simitis zurück. Dies sei „eine verkürzte und vorschnelle Feststellung“, sagte Simitis.

Den Gesetzgeber forderte der Vorsitzende des Ethikrates auf, möglichst bald für Klarheit in der Stammzellforschung zu schaffen. Seiner Ansicht nach, blieben aber alle Entscheidungen Deutschlands „zahnlos“, wenn es keinen internationalen Konsens gebe.

Für eine internationale Konvention ist unter anderem auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Sie soll – in Anlehnung an die Regelung des US-amerikanischen Präsidenten George Bush – festschreiben, dass nur an den bereits weltweit vorhandenen Stammzelllinien geforscht werden darf.

WOLFGANG LÖHR