Gentech-Pflanzen durch Hintertür

Vorwürfe an Agrarkonzerne und USA: Hilfslieferungen würden benutzt, um genverändertes Getreide hoffähig zumachen. Arme Länder fürchten Kontamination ihres Saatgutes und damit wegbrechende Exportmärkte. Andere nutzen Gentechnik selbst

von WOLFGANG LÖHR

Obwohl der weltweite Anbau genmanipulierter Nutzpflanzen in den letzten Jahren fast sprunghaft angestiegen ist, hat die Gentech-Industrie nach wie vor Probleme, ihre Hightech-Produkte an den Mann zu bringen. Waren es in den letzten Jahren vor allem einige EU-Staaten, die mit einem De-facto-Moratorium für Gentech-Pflanzen den endgültigen Siegeszug der grünen Gentechnologie verhinderten, wehren sich jetzt auch immer mehr Länder der Dritten Welt gegen die neuen Nutzpflanzen.

Vorläufiger Höhepunkt ist die Auseinandersetzung um die Hilfslieferungen des UN-Welternährungsprogrammes (WFP) zur Bekämpfung der Hungersnot im südlichen Afrika. Nach Schätzungen des WFP sind dort aufgrund von Ernteausfällen in den nächsten Monaten rund 13 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Weil die zum größten Teil aus den USA kommende Nahrungsmittelhilfe nicht frei von gentechnisch verändertem Getreide ist, weigerten sich anfänglich mehrere der betroffenen Staaten die Lieferungen ins Land zu lassen.

Nach Angaben des WFP-Direktors James Morris haben lediglich Lesotho, Malawi und Swasiland keinerlei Vorbehalte gegen das gentechnisch veränderte Getreide. Die Regierungen von Mosambik und Simbabwe gaben erst auf massiven Druck der UN nach. Nur Sambia verweigert weiterhin die Annahme – letztmalig verganngenen Samstag.

Die Regierung in Lusaka befürchtet nicht nur, dass das Gentech-Getreide die Gesundheit gefährdet. Sie hat auch Angst, dass eine Teil der Hilfslieferungen von den Bauern als Saatgut verwendet wird und damit eine gentechnische Kontaminierung der unbehandelten Pflanzen nicht mehr zu verhindern ist. Exporte in die EU würden damit künftig nicht mehr möglich sein, da dort genmanipulierte Pflanzen so gut wie unverkäuflich sind. Die Maiskörner vor dem Verteilen zu mahlen wurde als zu teuer verworfen.

Unterstützung bekamen am Wochende die USA von der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA). In einem von ihr veröffentlichten Bericht hat sie ausdrücklich auch genmanipuliertes Saatgut als Chance für eine nachhaltige Entwicklung und den Kampf gegen den Hunger in Afrika bezeichnet. Eine Voraussetzung sei jedoch, dass das Saatgut den jeweiligen örtlichen Bedingungen angepasst werde. Das sei aber bisher nicht der Fall.

Als positive Beispiele führt der ECA-Bericht Südafrika und Ägypten auf, wo bereits Gentech-Mais und -Baumwolle auf den Feldern zu finden sind. In Südafrika wird seit längerem schon genmanipulierter Mais als Viehfutter angebaut. Manipulierter Mais für Lebensmittel wurde hingegen erstmals in diesem Jahr geerntet.

Es ist nicht das erste Mal, dass Hilfslieferungen illegale Gentech-Produkte enthalten. So berichtet die Umweltorganisation Friends of the Earth, dass die amerikanische Hilfsorganisation USAID im vergangenen Jahr gentechnisch verunreinigte Soja und Mais nach Bolivien lieferten. Unter anderem wurde in den Lebensmitteln auch der in den USA nur als Viehfutter zugelassene StarLink-Mais nachgewiesen. Entwickelt wurde der herbizidresistente Mais von der seit kurzem zum Bayer-Konzern gehörenden Aventis Crop Sciences. Auch in Nicaragua wurden in Hilfslieferungen gentechnische Verunreinigungen festgestellt. Die im Rahmen des WFP zur Verfügung gestellten Lebensmittel wurden unter anderem von USAID und der deutschen Bundesregierung finanziert.

Ähnliche Erfahrungen machten bereits die Philippinen, Indien, Bosnien, Burundi, Equador, Kolumbien und Guatemala. Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam forderte deshalb kürzlich ein Moratorium für gentechnisch veränderte Organismen und den Aufbau eines Monitoringsystems, um deren Verbreitung durch Lebensmittelhilfen zu stoppen.

Einige Umwelt- und Entwicklungsorganisationen vermuten gar, dass die USA die Nahrunsgsmittelhilfen systematisch nutzen, um das Gentech-Saatgut zu verbreiten. Denn gerade in ärmeren Staaten ist es üblich, dass die Bauern ihre eigene Ernte wieder zur Aussaat nutzen, da sie nicht jedes Jahr neues Saatgut kaufen können. Auch ein Teil der Lebensmittelhilfen wird von den Bauern als Saatgut genutzt. Und die Erfahrungen in Ländern mit großen Anbaugebieten für Gentech-Pflanzen, zum Beispiel den USA und Kanada, zeigen, dass man einmal ausgesäte gentechnisch veränderte Samen nicht wieder loswird.