Kein Geld für Distomo

Bundesgerichtshof schließt Anspruch auf individuellen Schadensersatz wegen SS-Massaker in Griechenland aus. Bei Kriegsverbrechen gelten nur die Forderungen der Heimatstaaten der Opfer

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

Deutschland muss den ausländischen Opfern von NS-Kriegsverbrechen keinen Schadensersatz bezahlen. Dies stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil fest. Geklagt hatten Angehörige der Opfer eines SS-Massakers im griechischen Distomo. Dort waren 1944 mindestens 200 unbewaffnete Zivilisten von deutschen Soldaten in einer Racheaktion ermordet worden, unter anderem die Eltern der vier KlägerInnen.

„Das Massaker von Distomo war eines der abscheulichsten Verbrechen des Zweiten Weltkriegs“, stellte der Vorsitzende Richter Eberhard Rinne gestern klar. Dennoch könne der BGH den Klägern keinen Schadensersatz zusprechen. Das Gericht berief sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz, wonach bei Kriegsverbrechen nur der betroffene Staat, nicht aber die Opfer und Angehörigen eine Wiedergutmachung verlangen können. Dies habe zumindest zum Zeitpunkt der Tat noch gegolten.

Inzwischen lege das Völkerrecht zwar mehr Wert auf den Schutz individueller Menschenrechte, so der BGH. Die Richter ließen aber offen, ob daraus heute finanzielle Ansprüche entstehen könnten. Auf deutsches Recht können sich die ausländischen Opfer deutscher Kriegsverbrechen zwar individuell berufen. Allerdings soll laut BGH die „Amtshaftung“ für das Fehlverhalten deutscher Staatsdiener immer dann entfallen, wenn es sich um „Kriegsgeschehen“ handelt.

Die Kläger ahnten das und argumentierten deshalb, das Gemetzel in Distomo sei eine „Polizeiaktion“ gewesen. Doch auf diesen Dreh ließen sich die Richter nicht ein. Es handele sich auch dann um eine „militärische Operation“, wenn Besatzungstruppen wehrlose Zivilisten ermorden, so der BGH. Prozessbeobachter rechnen damit, dass der in Zürich lebende Kläger Argyris Sfountouris Verfassungsbeschwerde einlegen wird.

Was macht Deutschland jetzt? In einem Brief an den Verein „Gegen das Vergessen“ erklärte der außenpolitische Kanzlerberater Bernd Mützelburg jüngst, politische Gesten der Bundesregierung seien in diesem Zusammenhang ausgeschlossen. Möglich sei allerdings eine Förderung für private deutsch-griechische Jugendprojekte. (Az. III ZR 245/98)

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