RENTENBEITRÄGE: ELTERN SOLLTEN SO VIEL ZAHLEN WIE KINDERLOSE
: Eigentlich geht es um Krippenplätze

Die Politik tut viel zur Sicherung der Rente, aber noch mehr engagieren sich die Eltern. Denn sie setzen Kinder in die Welt, die später Beiträge zahlen und so sicherstellen, dass die Rente auch in der nächsten Generation noch funktioniert. Manche Eltern schließen daraus, dass sie qua Kindererziehung bereits so viel zur Rentensicherung beitragen, dass sie selbst gar keine oder kaum noch Versicherungsbeiträge für ihre eigene Rente zahlen sollten. Das Bundessozialgericht hat drei entsprechende Klagen gestern zwar abgelehnt, jedoch nur aus formalen Gründen. Die Frage bleibt damit auf der Tagesordnung – schon weil das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren von der Politik gefordert hat, genau dies zu prüfen: Sollen Eltern bei der Rentenversicherung tatsächlich gleich hohe Beiträge zahlen wie Kinderlose?

Die Diskussion passt in die Landschaft. Eltern müssen geringere Beiträge zur Pflegeversicherung bezahlen – dies hat Karlsruhe bereits entschieden. Eltern sollen künftig bei Wahlen auch für ihre Kinder mitwählen dürfen, das fordern 46 Bundestagsabgeordnete. Und so wird das vielleicht noch weitergehen. Möglicherweise wird auch noch die Kraftfahrzeugsteuer für Eltern gesenkt, weil sie mit dem Auto ja künftige Rentenzahler in die Klavierstunde und zum Tennisverein fahren.

Nur der Ausbau flächendeckender Kinderbetreuung kommt nicht voran. Und so fragt man sich mit der Zeit, ob all die diskutierten Sondervergünstigungen für Eltern nicht genau hiervon ablenken sollen. Entweder weil ein Netz von Krippen zurzeit kaum zu finanzieren ist – oder weil ohnehin die traditionelle Alleinverdiener-Ehe bevorzugt wird und die Elternschaft deshalb auf andere Weise finanziell und politisch gehätschelt werden soll.

Doch die Senkung der Rentenbeiträge für Eltern ist ein dreifacher Holzweg. Wenn man Geburten fördern will, ist sie sicher nicht so wirkungsvoll wie eine gute Betreuungsinfrastruktur. Und sie bindet Mittel, die für die Finanzierung der Kinderbetreuung wieder fehlen. Auch das individuelle Gerechtigkeitsargument schlägt nicht durch. Eltern bekommen nicht Kinder, weil sie die Rente sichern wollen, sondern weil sie Lust haben, Eltern zu sein. Als Gegenleistung für ihre Aufwendungen haben sie dann das Glück, mit Kindern zu leben.

Wer Kinder nur aus Pflichtbewusstsein oder gar aus finanziellem Interesse zeugt, wäre doch eher ein Fall fürs Jugendamt. Das sollte die Bundesregierung endlich klarstellen. Sonst glaubt Karlsruhe noch, die Politik habe die vermeintlich wegweisenden Gedanken des Verfassungsgerichts gar nicht zur Kenntnis genommen. CHRISTIAN RATH