Dämpfer für dominante Gatten

Der Bundesgerichtshof verhindert, dass sich finanziell überlegene Ehepartner nach der Scheidung auf unfaire Eheverträge berufen können. Erstens darf keine Zwangslage ausgenutzt werden. Zweitens können Verträge richterlich angepasst werden

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Eheverträge sind unwirksam, wenn sie einen Partner „unzumutbar“ benachteiligen. Dies erklärte gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einer gut abgewogenen Grundsatzentscheidung. Die neue Rechtsprechung gilt auch für bereits bestehende Eheverträge und sonstige Vereinbarungen über Unterhaltsverzicht.

„Im Prinzip können Ehegatten frei wählen, wie die Folgen einer Scheidung aussehen sollen“, so die Vorsitzende Richterin Meo-Micaela Hahne. „Sie können die gesetzlichen Regelungen über Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich durchaus per Vertrag ausschließen.“ Unzulässig seien allerdings „evident einseitige“ und deshalb unzumutbare Vertragsgestaltungen.

Wenn es zum Streit um die Gültigkeit eines Ehevertrags kommt, müssen die Gerichte künftig in zwei Schritten vorgehen. Zunächst ist zu prüfen, ob der Vertrag schon beim Abschluss sittenwidrig und damit nichtig war. Dies wäre dann der Fall, wenn der „dominante“ Ehepartner die Zwangslage des anderen ausgenutzt hat, um den Verzicht auf gesetzliche Rechte quasi zu erpressen. Dann gälte nicht der Vertrag, sondern das gesetzliche Schutzrecht.

Als Beispiel nannte Hahne die schwangere Frau, die auf späteren Unterhalt verzichtet, weil der Mann sie sonst nicht heiraten würde. Auch eine unsichere berufliche Situation könne eine derartige Zwangslage auslösen. „Große Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau genügen jedoch nicht“, betonte die Vorsitzende Richterin.

Doch auch wenn der Vertrag zunächst wirksam ist, kann es gegen „Treu und Glauben“ verstoßen, wenn sich der Begünstigte bei der Scheidung auf den vertraglichen Verzicht des anderen beruft. Möglich ist dies vor allem, wenn sich die Lebensverhältnisse im Verlauf der Ehe anders entwickelt haben, als bei Vertragschluss gedacht – zum Beispiel weil ein unerwartetes Kind den beruflichen Wiedereinstieg der Frau verhindert hat. In solchen Fällen kann der Richter den Ehevertrag künftig nach seinen Vorstellungen anpassen.

Die gerichtliche Kontrolle soll dabei umso strenger sein, je mehr ein Ehevertrag in den „Kernbereich“ des Scheidungsrechts eingreift. Zum Kernbereich gehören vor allem der Unterhaltsanspruch, falls der Ex-Partner kinder-, krankheits- oder altersbedingt nicht arbeiten kann, sowie der Versorgungsausgleich. Mehr Freiheit für Eheverträge besteht dagegen beim Verzicht auf andere Unterhaltsarten (Aufstockungsunterhalt sowie Unterhalt für Zeiten der Ausbildung oder Erwerbslosigkeit). Für den Verzicht auf den Zugewinnausgleich soll es keine Beschränkung geben, so der BGH.

Ausgelöst hatte den Streit ein gut verdienender Unternehmensberater aus Augsburg, der 1988 nach drei Jahren Ehe mit seiner Frau, einer Archäologin, einen Ehevertrag schloss. Darin verzichtete sie – ohne recht zu wissen, was sie unterschrieb – auf Zugewinnausgleich und teilweise auch auf nachehelichen Unterhalt. Ihr Mann finanzierte ihr jedoch eine Lebensversicherung über rund 85.000 Euro.

Nach der Scheidung im Jahr 2001 hielt die zweifache Mutter den aus ihrer Sicht ungünstigen Ehevertrag für unwirksam und bekam auch beim Oberlandesgericht München Recht. Dieses Urteil hob der BGH gestern jedoch auf und verlangt eine erneute Prüfung. Eine vom Ehemann ausgenutzte Unterlegenheit der Frau sei bislang nicht erkennbar.

In Deutschland wird in etwa jeder zehnten Ehe ein Ehevertrag geschlossen. Bei Unternehmer-Ehen sind es nach Angaben des Spiegel sogar dreißig Prozent. Dazu kommen noch viele Fälle von Unterhaltsverzicht, die auch ohne notariellen Ehevertrag möglich sind.