Rot-Grün will Volksentscheid von oben

Der Bundestag soll nach dem Willen von Rot-Grün über Volksentscheide bestimmen. Hintergrund ist die EU-Verfassung

FREIBURG taz ■ SPD und Grüne müssen wieder einmal umdenken. Eigentlich hatten sie die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid vorgeschlagen, um die direkte Demokratie „von unten“ zu stärken. Doch jetzt will die Regierung ihren Gesetzentwurf um die Möglichkeit des Referendums ergänzen – das heißt, ein Volksentscheid würde durch Bundestagsbeschluss angeordnet werden.

Mit Zweidrittelmehrheit soll der Bundestag beschließen können, dass über die Ratifikation eines völkerrechtlichen Vertrags „durch Volksentscheid“ bestimmt wird. So steht es in einem der taz vorliegenden Arbeitsentwurf der beiden zuständigen Verhandlungsführer Hermann Bachmaier (SPD) und Joseph Winkler (Grüne). Der Entwurf muss noch durch die Fraktionsgremien und soll dann Anfang November in den Bundestag eingebracht werden.

Die Regelung zielt auf die EU-Verfassung, die Ende Oktober von den Staats- und Regierungschefs in Rom unterzeichnet wird. Möglich wären aber auch Volksentscheide über einen EU-Beitritt der Türkei oder ein neues Welthandelsabkommen.

Ausgeschlossen ist ein Referendum nur bei innenpolitischen Themen. SPD und Grüne zeigen damit, dass der Volksentscheid von oben für sie die Ausnahme bleiben soll. Der übliche Weg zum Plebiszit soll weiter über Volksinitiative und Volksbegehren laufen. Doch auch bei außenpolitischen Themen haben Winkler und Bachmaier eine wirkungsvolle Sicherung eingebaut. Ein Volksentscheid kann nur stattfinden, wenn zwei Drittel der Abgeordneten die Entscheidung dem Volk überlassen wollen. So soll verhindert werden, dass die Regierung bei populären Verträgen einfach ein Jubel-Referendum ansetzen kann.

Winkler geht davon aus, dass die entsprechende Grundgesetzänderung bis zum Frühjahr abgeschlossen sein könnte. Ein Volksentscheid über die EU-Verfassung könnte nach halbjähriger öffentlicher Diskussion dann etwa im Oktober stattfinden.

Voraussetzung dafür ist aber, dass die von SPD und Grünen vorgeschlagene Grundgesetzänderung zumindest von Teilen der Opposition mitgetragen wird. Danach sieht es derzeit zwar nicht aus, doch die Regierungsparteien bieten der Union und der FDP offene Beratungen an. „Die Einzelheiten des Entwurfs sind verhandelbar“, sagte Winkler der taz. CHRISTIAN RATH