Die Exfrau muss arbeiten gehen

Justizministerin stellt Eckpunkte für neues Unterhaltsrecht vor: Bei Geldmangel werden Kinder zuerst berücksichtigt

BERLIN taz ■ Kindesunterhalt soll künftig Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Dies sieht eine Reform des Unterhaltsrechts vor, deren Kernpunkte Justizministerin Brigitte Zypries gestern vorstellte. Die Neuregelung soll Anfang 2006 in Kraft treten.

Die Reform betrifft vor allem so genannte Mangelfälle, in denen der Unterhaltspflichtige – typischerweise ein Mann – nach Abzug seines Selbstbehaltes nicht alle Ansprüche voll erfüllen kann. Ein Beispiel: Der Mann hat eine Exfrau mit zwei Kindern zu versorgen und in zweiter Ehe wieder zwei Kinder. Es haben also sechs Menschen Unterhaltsansprüche, die bisher anteilig gekürzt wurden – wobei die Exfrau gegenüber der Ehefrau sogar noch privilegiert ist.

Künftig soll eine neue Rangfolge gelten. Zunächst werden die Ansprüche aller Kinder gleichberechtigt befriedigt. Dann kommt der Unterhalt an die Expartnerinnen, die wegen der Kinderbetreuung nicht oder nicht Vollzeit (erwerbs-)arbeiten können. Hier werden dann auch nichteheliche Mütter – soweit sie Ansprüche haben – mit geschiedenen Müttern gleichgestellt. Erst wenn dann noch Geld zur Verfügung steht, sind die Unterhaltsansprüche kinderloser Exgattinnen zu erfüllen. Der Anteil solcher Mangelfälle ist regional verschieden. In manchen Teilen Berlins sind sie die Regel, in gut betuchten Gegenden aber eher selten. Für den unterhaltspflichtigen Mann bleibt die Belastung unter dem Strich gleich, ebenso für die Sozialhilfekassen.

Die bisherige Privilegierung der Exfrau gegenüber der aktuellen Gattin soll entfallen. „Damit bekommt die Zweitfamilie, in der heute häufiger als früher auch Kinder leben, eine bessere finanzielle Ausstattung“, betonte Zypries. Hat die Exfrau keine Kinder zu betreuen, muss sie künftig auch eher eine Erwerbsarbeit aufnehmen. Die Zumutbarkeitsschwellen sollen abgesenkt werden, die Unterhaltsdauer kann leichter befristet und die Höhe begrenzt werden. Da hier viel von den Umständen des Einzelfalls abhängt, sollen die Familiengerichte deutlich mehr Spielraum als bisher bekommen. „Der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe wird im Gesetz aber an zentraler Stelle verankert“, so Zypries. In den letzten Jahren sei die Rechtsprechung ohnehin in diese Richtung gegangen. Das neue Gesetz soll grundsätzlich auch für bereits laufende Unterhaltsfälle gelten. Findet die Frau wegen der schwierigen Arbeitsmarktsituation keine Stelle, geht das aber zu Lasten des Mannes. Erleichtert wird die Situation dagegen für nichteheliche Mütter. Sie bekamen bisher nur bis zum dritten Lebensjahr des Kindes Betreuungsunterhalt, dann mussten sie eine Erwerbsarbeit suchen. Zum Vergleich: Für geschiedene Mütter liegt die Grenze beim achten Lebensjahr.

Hier will Zypries zwar keine Angleichung vornehmen, aber es soll nichtehelichen Müttern erleichtert werden, auch nach dem dritten Lebensjahr des Kindes zu Hause zu bleiben. Bisher musste die Erwerbsaufnahme grob unzumutbar sein, künftig genügt einfache „Unzumutbarkeit“, etwa wenn das Kind sich nicht in den Kindergarten eingewöhnt. CHRISTIAN RATH