Wenn es in der Leitung leise knackt

Für die Abhörbefugnisse der Zollfahnder gelten seit gestern strengere Regeln. Der Bereich ist ein Experimentierfeld für die Reform der Telefonüberwachung insgesamt

FREIBURG taz ■ Das Gesetz betrifft zwar vorerst nur den Zoll, es könnte aber für die umstrittene Neuregelung der gesamten polizeilichen Abhörmöglichkeiten wegweisend sein: Kurz vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist trat gestern eine Neuregelung der Zoll-Mithörbefugnisse in Kraft, auf die sich SPD und Grüne nach langen Auseinandersetzungen geeinigt hatten.

Seit 1992 darf das in Köln ansässige Zollkriminalamt präventiv Telefone abhören und Post öffnen, zum Beispiel um die illegale Ausfuhr von Rüstungsgütern in Krisengebiete zu verhindern. Im März dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Regelung im Außenwirtschaftsgesetz allerdings als zu vage und zu kompliziert beanstandet. Geklagt hatte das Land Rheinland-Pfalz.

Wie vom Gericht gefordert, hat der Bundestag noch vor Jahreswechsel eine Neuregelung beschlossen. Mit dieser sind sogar die Bürgerrechtler von der Humanistischen Union „einigermaßen zufrieden“, wie HU-Aktivist Gerhard Saborowski der taz sagte. So sieht das Gesetz zum Beispiel vor, dass besonders schützenswerte Berufsgruppen wie Ärzte oder Pfarrer nur eingeschränkt abgehört werden dürfen. „Das ist beispielhaft für die schon lange angekündigte Reform der Telefonüberwachung bei der Polizei“, sagt Saborowski. In der Strafprozessordnung gibt es derartige Schutzvorschriften bisher nur für die Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“).

Die Neuregelung der Zollbefugnisse wurde zunächst auf ein Jahr befristet. Auf Druck der Grünen soll bis Ende 2005 diskutiert werden, ob das Abhören immer dann einzustellen ist, wenn am Telefon über sehr persönliche Dinge gesprochen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat dies für Wanzen in Privatwohnungen gefordert. Das Justizministerium will diese Einschränkung aber nicht auf die Telefonüberwachung übertragen, da dann jedes abgehörte Telefon live mitgehört werden müsste, was sehr personalintensiv wäre.

Dies ist inzwischen auch der entscheidende Streitpunkt bei der Neuregelung der polizeilichen Telefonüberwachung. Schon seit Jahren kündigt Rot-Grün eine Neuregelung in der Strafprozessordnung an.

Lange wartete man auf ein Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht. Die Freiburger Forscher kamen im Sommer 2003 zu dem Ergebnis, dass Deutschland mit inzwischen knapp 30.000 überwachten Telefonanschlüssen pro Jahr – anders als oft behauptet – nicht Abhörweltmeister ist. Moniert wurde von den Kriminologen allerdings die unzureichende Benachrichtigung der Betroffenen.

Eigentlich wollten SPD und Grüne die große Abhör-Reform bis Ende dieses Jahres über die Bühne bekommen. Doch wieder ist trotz vieler Gespräche nichts passiert. Das zuständige Bundesjustizministerium wollte selbst für das kommende Jahr nichts versprechen. Vermutlich werden die Konflikte weiter auf dem Feld der Zollbefugnisse ausgetragen, fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit. CHRISTIAN RATH

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