Schily verwischt seine Fingerabdrücke

Der Bundesinnenminister macht Zugeständnis bei den biometrischen Reisepässen: Die auf den Dokumenten enthaltenen Fotos und Fingerabdrücke dürfen die Behörden nicht speichern. Datenschützer halten die Identifizierungstechnik für unausgereift

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Der neue biometrische Reisepass wird den Datenschützern weniger Sorgen machen als bisher erwartet. Das Bundesinnenministerium (BMI) bestätigte der taz, dass die biometrischen Daten der Bürger ausschließlich auf dem Pass selbst gespeichert würden – und nicht bei den Behörden. Damit hat Innenminister Otto Schily (SPD) eine zentrale Forderung des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar erfüllt (siehe taz-Interview vom 19. 4.).

Ab Herbst werden neue Reisepässe einen kleinen Chip enthalten, auf dem ein digitales Passbild gespeichert ist. Eine Gesichtserkennungs-Software kann künftig dieses digitale Foto an der Grenze oder am Flughafen mit dem Antlitz des Passinhabers vergleichen. So will man sicherstellen, dass der Reisende nicht einen fremden Pass vorlegt. Ab März 2007 soll auf dem Reisepass zudem noch ein Fingerabdruck gespeichert werden. Beides beruht auf einer EU-Vorgabe, die maßgeblich auf Druck von Otto Schily zustande kam.

Datenschützer Schaar befürchtete, dass die Polizei bald Interesse an neuen Fahndungsmöglichkeiten entwickeln könnte. Der Fingerabdruck vom Tatort oder das Bild einer Überwachungskamera könnten dann mit Daten des Reisepasses verglichen werden. Noch besteht dafür zwar keine gesetzliche Erlaubnis, doch der Datenschützer argwöhnte, dass eine solche Ermächtigung schnell geschaffen werden kann – wenn nach einem abscheulichen Verbrechen die Stimmung hochkocht.

Schaar forderte daher, dass die digitalen Passbilder und Fingerabdrücke weder zentral noch dezentral beim Staat gespeichert werden dürften. Die Behörden sollten die Daten vielmehr nach Anfertigung des Reisepasses sofort wieder vernichten. Die Passinhaber dürften nicht „unter Generalverdacht“ gestellt werden, sagte Schaar. Außerdem würde eine Fahndung mit Hilfe der Passdaten zu „sehr vielen Falschverdächtigungen“ führen, weil die Bildabgleichstechnik noch „ungenau“ sei.

Noch bevor es eine breite öffentliche Diskussion um diese Forderung gab, hat Schily nun eingelenkt. „Die auf dem neuen Reisepass enthaltenen biometrischen Merkmale sind ausschließlich auf dem Pass gespeichert“, sagte eine Sprecherin seines Ministeriums der taz. Der Aufbau einer Fingerabdruck- und Foto-Datei aller Pass-Inhaber – ob nun zentral oder dezentral – ist damit vorerst ausgeschlossen. Die Polizei kann Fingerabdrücke weiterhin nur mit den etwa 3 Millionen Abdrücken vergleichen, die beim Bundeskriminalamt gespeichert sind.

Die Forderung Schaars nach einem Moratorium für die Einführung der Passe weist Schilys Ministerium aber nach wie vor zurück. Die Identifizierungstechnik sei „ausgereift und erprobt“. Mit der Aufstellung erster Lesegeräte und Kameras an Grenzen und Flughäfen werde im Herbst, „zeitgleich mit der Ausgabe der ersten Pässe“ begonnen, so Schilys Sprecher Michael Popp, „wir sind im Plan.“ Ein Bericht der Berliner Zeitung, wonach die neue Infrastruktur an den Grenzen wegen technischer Probleme erst ab 2006 installiert werde, sei „definitiv falsch“.

Eigentlich verlangt die EU die Ausgabe von Biometrie-Pässen erst ab Mitte 2006. Ehrgeizigere Vorgaben machen aber die Vereinigten Staaten. Die visumfreie Einreise in die USA sollen ab Herbst nur die Bürger solcher Staaten erhalten, die bereits Biometrie-Pässe ausgeben.