NPD darf verdrängt werden

In einer ausführlichen Begründung verteidigt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Berliner Senats, die NPD am 8. Mai nicht zum Holocaust-Mahnmal zu lassen. Mit diesem Urteil hat das neue Versammlungsrecht den Härtetest bestanden

VON CHRISTIAN RATH

Rechte Demonstrationen können künftig leichter von symbolträchtigen Orten fern gehalten werden. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wurde am 8. Mai in Berlin zwar in das Recht der NPD auf eine freie Wahl des Versammlungsortes eingegriffen, das Gericht hält die Eingriffe aber für gerechtfertigt. Das geht aus einer Begründung ihrer Eilentscheidung vor, die die Karlsruher Richter gestern nachreichten.

Am Holocaust-Mahnmal vorbei und hin zum Brandenburger Tor hatten die Jungen Nationaldemokraten am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, marschieren wollen. Doch der Berliner Senat erlaubte die Demo nur auf geänderter Route. Eine Klage der NPD-Jugend scheiterte in allen Instanzen, auch beim Bundesverfassungsgericht. Warum, das begründeten die Karlsruher Richter nun erstmals ausführlich.

Um ein Verbot von rechten Kundgebungen an Holocaust-Gedenkstätten zu ermöglichen, war im April das Versammlungsgesetz verschärft worden. Das Verfassungsgericht hat weder gegen diese Verschärfung noch gegen die Anwendung im konkreten Fall Bedenken: Das Demo-Motto „60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult“ verletze die Würde von Millionen jüdischen Opfern des Faschismus, unter anderem weil sie zu Objekten eines vermeintlichen Schuldkultes degradiert würden. Mit diesem Urteil hat der verstärkte Schutz für Opfer-Gedenkstätten seinen ersten Härtetest bestanden.

Am Brandenburger Tor konnte die NPD nicht demonstrieren, weil dort der Berliner Senat kurzfristig ein Straßenfest organisierte. Die Berliner Verwaltungsgerichte fanden, dass die Senatspläne nicht das Ziel hatten, die lange vorher angemeldete NPD-Demo zu verdrängen. Diese Sichtweise akzeptierte nun auch das Verfassungsgericht – und drückte damit beide Augen zu.

Die Staatsveranstaltung habe bei der Ortswahl zu Recht den Vorrang erhalten, so Karlsruhe, da der Platz vor dem Brandenburger Tor wegen seiner Nähe zum Reichstag und zum sowjetischen Ehrenmal für eine Veranstaltung am Jahrestag der Kapitulation besonders geeignet gewesen sei. Die NPD-Jugend habe hingegen keine Argumente vorgebracht, warum sie für ihre Positionen gerade am Brandenburger Tor werben wollte.

Das Gericht machte deutlich, dass es die Routenänderung auch deshalb akzeptierte, weil die Rechtsextremen am gleichen Tag unter dem gleichen Motto an einem anderen Ort in der Berliner Innenstadt demonstrieren durften.

Am 8. Mai hatten sich schließlich 3.000 NPD-Anhänger am Alexanderplatz versammelt, sie konnten allerdings nicht losmarschieren, weil Tausende von Gegendemonstranten den Weg versperrten. Die NPD kündigte inzwischen eine weitere Klage an, weil die Polizei diese Blockade nicht verhinderte und so zum vorzeitigen Abbruch der rechten Kundgebung beitrug. (Az.: 1 BvR 961/05)