Rasterfahndung: Maßlos und unpraktisch
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Was für ein gigantischer Fehlschlag! Die bundesweite Rasterfahndung nach den Al-Qaida-Anschlägen von New York und Washington war schon kriminalpolitisch eine Enttäuschung, denn sie brachte fast keine Ergebnisse. Und nun wurde sie vom Bundesverfassungsgericht auch noch für verfassungswidrig erklärt. Vermutlich fiel den Richtern diese Entscheidung auch deshalb leicht, weil sie eine so nutzlose, ja geradezu schädliche Polizeimaßnahme betrifft.

Zu groß war die Kritik an der Rasterfahndung inzwischen auch innerhalb der Polizei. Sie war zu ungenau, dauerte zu lange und band viel zu viel Personal. Es war ja fast schon abzusehen, dass mit den vagen Kriterien „männlicher muslimischer Student“ viel zu viele Personen im Raster hängen bleiben. Das ist nicht nur für die Betroffenen misslich, die unnötig in Kontakt mit der Polizei geraten, sondern auch für die Fahnder selbst. Denn so mussten letztlich mehr als 1.500 Personen aufwändig überprüft werden, ohne dass auch nur ein Terrorist entdeckt wurde. Allein in Nordrhein-Westfalen waren Anfang 2002 bis zu 400 Ermittler für die Rasterfahndung und die Spurenabklärung eingesetzt – Beamte, die bei anderen Ermittlungen fehlten. Letztlich hat die Rasterfahndung so geradezu die innere Sicherheit beeinträchtigt, statt sie zu erhöhen.

Die Polizei konnte dem am Ende nur entgegenhalten, dass die Rasterfahndung die islamistische Szene verunsichert und damit präventive Wirkung habe. Das aber zeigt schon die ganze Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Über ein „Wir tun was“, das wohl auch ans eigene Wahlpublikum gerichtet war, kam die Rasterfahndung nicht hinaus.

Sicher hat die Fahndung nach unentdeckten islamistischen Terroristen auch dazu beigetragen, dass die Akzeptanz von Muslimen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft stark gesunken ist. Noch wichtiger dürften aber die Anschläge selbst sein. Wenn – wie in London – aus anscheinend gut integrierten jungen Männern binnen weniger Monate menschenverachtende Terroristen werden, dann ist eine Gesellschaft zu Recht besorgt. Es wäre zu bequem, dafür die exzessive Rasterfahndung verantwortlich zu machen. SEITE 2