Cannabis im Polizeigarten

Ein kranker Künstler und Ex-Junkie hat sich auf Sylt selbst angezeigt. Er will mit einem Rechtsstreit die Nutzung von Haschisch als Medizin durchsetzen. Dafür versuchte er sich auch als Gärtner bei den Ordnungskräften der Insel

FREIBURG taz ■ „Die Spinnmilben machen mir Sorgen“, sagt Axel Junker. Vor einem Monat hat die Polizei seine Cannabis-Stauden beschlagnahmt und in eine Asservatenkammer gebracht. Jetzt fürchtet der bekennende Kiffer, dass die Pflanzen eingehen könnten – an Schädlingsbefall und mangelnder Pflege. Beim Amtsgericht hat er beantragt, dass die Hanfstauden zumindest regelmäßig gegossen werden sollen.

Der Antrag ist Teil einer politischen Aktion, denn Axel Junker hat sich selbst angezeigt. Der Sylter will erreichen, dass er Cannabis künftig legal zu Hause anbauen kann – denn er braucht es als Medizin. Junker ist 53 und hat fast 40 Jahre Drogenerfahrung, bis hin zu Kokain und Heroin. Er saß mehrfach im Gefängnis, doch seit er 1997 nach Westerland auf Sylt zog, hat er sein Leben im Griff. Er macht eine Methadontherapie, arbeitet als Taxidisponent, spielt Schlagzeug in einer Band, dichtet, schafft Skulpturen und hat sich den Künstlernamen aXXL zugelegt.

Allerdings muss Junker seit 15 Jahren mit der chronischen Leberentzündung Hepatitis C leben – vermutlich eine Folge seiner Drogensucht. Als im Mai die Viruslast rapide anstieg, unterzog er sich einer Interferon-Therapie an der Uni Kiel. Die Therapie schlug an, doch die Nebenwirkungen waren zunächst massiv: Er hatte Fieberschübe, Schüttelfrost und bekam wunde Stellen im Mund. „Das ging erst zurück, als ich richtig viel Cannabis geraucht habe“, versichert Junker. Auch bei der Überwindung seiner Heroinsucht habe ihm der regelmäßige Hasch-Konsum sehr geholfen. Deshalb will Axel Junker jetzt endlich Rechtssicherheit für seine kleine Plantage zu Hause.

Die Selbstanzeige bei der Polizei verband der Künstler mit einem Happening in der Fußgängerzone von Westerland, dem Hauptort von Sylt. Dort verbrannte er eine selbst geschaffene Holzskulptur. Anschließend versuchte Junker eine Cannabispflanze im Polizeigarten von Sylt einzubuddeln. „Es geht um eine ernste Sache, aber man muss dabei auch etwas lächeln können“, sagt Junker.

Mit seiner Selbstanzeige will er vor allem Druck auf das Bonner Bundesamt für Arzneimittel (BfArM) ausüben. Dort hat er schon vor drei Jahren einen Antrag gestellt, dass ihm der Anbau von Cannabis als Medizinpflanze genehmigt werden soll. Auch mehr als hundert andere Betroffene haben entsprechende Anträge gestellt. Bisher ohne Erfolg.

Zwar ist Cannabis laut Betäubungsmittelgesetz eine verbotene Droge, doch die Anträge sind nicht aussichtslos. Schon zweimal hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kranken Cannabisnutzern geraten, beim BfArM um eine Ausnahmegenehmigung zu bitten. Und im Mai 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärt, dass solche Anträge nicht mehr einfach wegen „Fehlens eines öffentlichen Interesses“ abgelehnt werden dürfen. Geklagt hatte ein Multiple-Sklerose-Patient.

Bis zu diesem Urteil verwies das Bonner Amt die Kranken gerne auf das Import-Arzneimittel „Dronabinol“, das den Cannabis-Wirkstoff THC enthält. Doch dieses Argument ließen die Leipziger Richter nicht gelten, schließlich werde Dronabinol von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt und sei sehr teuer. Junker stimmt zu: „Warum soll ich 500 Euro pro Monat für Dronabinol zahlen, wenn ich meine Pflanzen selbst züchten kann und noch eine bessere Wirkung erziele.“

Jetzt müsste das Bonner Amt eigentlich die Cannabis-als-Medizin-Anträge ernsthaft prüfen. Stattdessen beginnt es damit, sich neue Hürden für die kranken Kiffer auszudenken. So wurde im Mai verlangt, dass Cannabis nur in Räumen aus Stahlbeton oder Panzerschränken gelagert werden darf. „Die Beamten spielen auf Zeit, während die Kranken unter Schmerzen verrecken oder von der Polizei verfolgt werden“, empört sich Junker. Wenn es sein muss, will er den Rechtsstreit bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg tragen. CHRISTIAN RATH