"Wir handeln nur noch im Netz"

■ Wirtschaftsunternehmen gegen den Kulturmarkt: Die US-Politkunstgruppe R(TM)ark finanziert subversive Aktionen. Heute sind sie beim Atonal-Festival. Ein Gespräch über künstlerischen Selbstzweck und anonyme We

„Frank“ und „Ernest“ heißen die beiden Mitglieder von W(TM)ark, die zum Interview erschienen sind. Nachnamen haben sie nicht, „Ernest“ ist eine Frau, und es fehlt nur noch, daß die beiden Sonnenbrillen und falsche Bärte tragen. Die Geheimnistuerei hat einen Grund, denn die Hauptaufgabe von W(TM)ark (sprich: artie mark, ein Wortspiel aus „arty“ – künstlerisch – und „Trademark“) besteht darin, subversive Aktivitäten zu finanzieren. Mit den von ihnen gesammelten Mitteln sampelte ein US-amerikanischer Musiker eine CD aus Stücken des Popstars Beck zusammen. Beck, der seine Kompositionen selbst gerne mit Material aus Songs von anderen aufwertet, drohte mit einer Klage, und die Medien berichteten weltweit über den eingeschnappten Popmusiker. Auch schwule Bomberpiloten, die ein Programmierer in das Ballerspiel „SimCopter“ eingeschmuggelt hatte, und Barbies, die plötzlich kriegerische Töne ausstießen, gehen auf das Konto von W(TM)ark. Politische Subversion oder bloßes Kokettieren mit dem Reiz des Verbotenen? Heute abend werden ®(TM)ark mit einer Performance im Rahmen des Atonal-Festivals auftreten.

taz : Können Sie die Strategie von W(TM)ark erklären?

„Ernest“: Wir besorgen Geld für subversive Aktionen und die Sabotage von Produkten und machen dafür Werbung. Wir haben eine Datenbank im Internet und eine Liste von unseren Projekten. Dort erfährt man, wie man sich beteiligen kann. Man kann Geld spenden und mitarbeiten.

Und Sie tragen das Risiko bei diesen Aktionen?

„Frank“: Wir operieren wie ein Wirtschaftsunternehmen. In den USA haben Unternehmen dieselben Rechte wie Individuen. So minimieren die Leute, die Unternehmen führen, ihr Risiko. Wenn ihre Firma jemanden umbringt oder ein Dorf in Mexiko dem Erdboden gleichmacht, dann sind sie nicht persönlich haftbar, sondern das Unternehmen übernimmt die Verantwortung. Im schlimmsten Fall wird das Unternehmen geschlossen, aber der verantwortliche Manager muß so gut wie nie ins Gefängnis.

Was waren die erfolgreichsten Aktionen von W(TM)ark?

„Ernest“: Wir haben der Barbie Liberation Organisation Geld dafür gegeben, daß sie die Sound- Chips von Barbie- und G.I.Joe- Puppen austauschten. Danach haben die G.I.-Joes gefragt: „Wanna go shopping?“ Und die Barbies sagten: „Dead Men tell no lies.“ Außerdem hat ein Computerprogrammierer in unserem Auftrag bei dem Videospiel „SimCopter“ zwei küssende Jungs versteckt.

Und was war für Sie der Erfolg daran?

„Frank“: Die Medienberichterstattung. Wenn man mit seinen politischen Aktivitäten wahrgenommen werden will, muß man sie publizieren, also in die Medien bringen. Die amerikanische Künstlergruppe „Act up“ war ein frühes Modell dafür.

Aber bei „Act up“ ging es um ein aktuelles politisches Thema – nämlich um AIDS. Bei W(TM)ark scheint es fast Selbstzweck zu sein, in die Medien zu kommen...

„Ernest“: Nein, uns geht es um mehr. „SimCopter“ ist zum Beispiel absolut macho und aggressiv. Darin zwei knutschende Piloten unterzubringen ist ganz schön radikal.

Aber an wen richten sich die Aktionen? An das arme, kleine Mädchen, das plötzlich eine Barbie-Puppe hat, die militaristische Sprüche losläßt?

„Ernest“: Nein, von denen gab es ja nur 300. Aber es wurde so viel über diese Aktion berichtet, daß wir mit unserem Thema viele Leute erreicht haben. Ich glaube schon, daß die Leute dadurch zum Nachdenken gebracht werden: „Hm, vielleicht sollten Kinder nicht von ihren Puppen in den Krieg geschickt werden...“

Wie wichtig ist das Internet für Ihre Arbeit?

„Frank“: Sehr wichtig. Als wir gemerkt haben, daß wir mit dem Netz arbeiten können, ohne unsere Anonymität aufzugeben, haben wir sofort angefangen es zu nutzen. Jetzt publizieren wir unsere Aktivitäten nur noch im Netz. Für Gruppen, die kein Geld haben, ist das perfekt. Wir müssen ein bißchen Geld für unsere Website dazubezahlen, aber das ist wenig, wenn man vergleicht, was es kosten würde, Pressemitteilungen zu verschicken.

„Ernest“: Außerdem leben wir in den ganzen USA verstreut, und das Internet ist die beste Methode, um trotzdem zusammenzuarbeiten. Interview: Tilman Baumgärtel

W(TM)mark im Internet: http:// www.rtmark.com/ . W(TM)ark werden heute abend beim Atonal- Festival ( http://www.atonal.de ) im Roten Salon der Volksbühne um 20 Uhr eine Performance zeigen.