„Die Leute wollen wieder tanzen“

■ Ein Gespräch mit dem Label- und Clubbetreiber Ralf Köster über den Versuch, Kiffköpfe und Elektroniktüftler zusammenzubringen

Ralf Köster startete sein Label Tonträger für Synapsenmassage (TFSM) 1992 in Hamburg mit einer Ambient-Compilation, später wurden die Tracks etwas flotter verlegt. „Man nannte das damals Intelligent Techno“, so Köster, „ich würde es lieber als Armchair-Techno bezeichnen.“ Inzwischen sind Booking-Agentur und Club (namens MFOC, Music for Our Children) zum Miniimperium hinzugekommen. Für „Plattenbau“, die Platte, hat Köster vom norddeutschen Kiffer-Kombinat Plattenmeister den Backkatalog überlassen bekommen, um ihn remixen zu lassen von DJs aus der ganzen Republik. Bei „Plattenbau“, dem Abend im Maria, legen u.a. DJ Koze von Fischmob auf, Köster selbst als Electro- Pascha zusammen mit Peter K alias Superdefekt und Subtropic aus Brighton mit „wirklich deepem Drum & Bass, da können sich alle Jungs, die jetzt auf Droge sind, eine Scheibe abschneiden“.

taz: Hast du jemals in einem Plattenbau gewohnt?

Ralf Köster: Nö.

Wenigstens mal einen von innen gesehen?

Ja. Die klassischen Plattenbauten hier in Hamburg sind die Grindel-Hochhäuser aus den Sechzigern, da hat mal ein Freund von mir gelebt.

Warum dann der Titel?

Die Idee war, Platten von Plattenmeister neu bauen zu lassen.

Nach welchen Kriterien hast du welchem Remixer welchen Song überlassen?

Ich hatte als Basis den Back-Katalog von Plattenmeister. Da hatte ich meine Lieblinge, und dann natürlich die aus dem elektronischen Bereich. Ich wußte, wer auf was steht, wer was kann und was gut paßt.

Wann paßt was gut?

Das ist schwer zu beantworten, das ist eine emotionale Sache. Oft haben die Ursprungsplatte und das, was der Remix-Artist sonst macht, gar nichts miteinander zu tun. Ich kenne die Leute ja oft schon seit zig Jahren und weiß dann aus dem Bauch heraus, das könnte was für die sein. Nehmen wir mal Adolf Noise, also DJ Koze. Der ist jemand, der alles so hinknallt und das Intellektuelle eher nicht mag. Ich kannte Kreidler, und ich wußte, die mögen Adolf Noise, obwohl sie eigentlich eher intellektuelle Tüftler sind, die viel nachdenken, bevor sie Musik machen. Die waren ganz begeistert, den Remix zu machen, obwohl das eine ganz andere Welt ist.

Die Platte ist sehr disparat geworden zwischen Drum & Bass, Electro und fast schon hörspielartigen Experimenten. War das so geplant?

Das war so vorgesehen. Das Konzept war, daß möglichst viele verschiedene Platten von Plattenmeister in möglichst verschiedenen Styles geremixt werden. Mein Label TFSM war immer so, auch unser Club war immer so. Es ging um Elektronik, aber bei uns lief immer von Jazz und Electro über Techno, HipHop, House bis zu Easy Listening alles. Ich bin nicht bereit, mich auf irgendeine Richtung festlegen zu lassen.

Was war so interessant am Label Plattenmeister?

Sie sind die Könige des Dilettantismus. Der totale Schwachsinn, und das teilweise in gute Musik gepackt. Sie kommen da irgendwo aus dem Norden, sind überzeugte Potheads, sind lustig und bringen auch wirklich gute Platten raus. Ich spiele diese Platten auch, wenn ich auflege. Nehmen wir mal Mikolajewicz, das ist als Ambient-TripHop-Album eine Legende, auch wenn es sich nur ein paar hundertmal verkauft hat. Und Adolf Noise dürfte mit 6.000 Stück die bestverkaufte deutsche Ambient-Platte sein.

Alles hat mal auf der Tanzfläche angefangen, dann kamen die gemütlichen Sachen für Zuhause. Die werden auf Plattenbau jetzt wieder zum Tanzen zurückgemixt.

Es geht ja allgemein wieder zurück auf die Tanzfläche. Auch in unserem Club wird es immer schneller, die Leute wollen wieder tanzen.

Woher kommt das?

Das Jahr 2000, Tanz auf dem Vulkan, was weiß ich. Das ist ein neues Phänomen. Aber es wurde schon ein paarmal langsamer und dann wieder schneller. Das ist eine ewige Welle, die man beobachten kann, wenn man jahrelang in Clubs auflegt. Interview: Thomas Winkler

27.2., Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8–10, Friedrichshain