Der unfreiwillige Zeuge

Die Gründe, die das Erste für die Ablösung von Schwimmreporter Hajo Seppelt anführt, überzeugen nicht. Ist dem Kritiker der ARD-Sportberichterstattung eine E-Mail zum Verhängnis geworden?

Der Prozess begann am 12. April 2006 und endete am 12. April 2006. Die neun ARD-Anstalten sowie Sportkoordinator Hagen Boßdorf als ehemaliger Radsport-Kommentator hatten den Heidelberger Mikrobiologen Werner Franke verklagt, weil er der ARD vorgeworfen hatte, indirekt die Dopingszene im Radsport durch unkritische Berichterstattung zu unterstützen. Die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München wurde jedoch nicht zu einer Grundsatzdiskussion über die Qualitäten des Sportjournalismus im Ersten, denn man einigte sich noch am ersten Verhandlungstag: Dopingexperte Franke erklärte, dass er nicht behaupten werde, Sportjournalisten der ARD und insbesondere Hagen Boßdorf hätten Sachverhalte zum Doping im Programm falsch dargestellt.

Die Interpretationen über den Ausgang des Verfahrens gingen zwar auseinander – die ARD befand, dass Franke seine Vorwürfe mit der Erklärung zurückgenommen habe, Franke selbst meinte, er habe sich nur von Dingen distanziert, die er eh nie behauptet habe –, gerade deshalb schien man aber auf beiden Seiten zufrieden zu sein und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Nun machen sich aber die Nachwirkungen des Prozesses bemerkbar, und zwar im Fall des überraschend versetzten Schwimmreporters Hajo Seppelt (siehe taz von gestern). In dem Dossier, das Franke zu seiner Verteidigung im ARD-Prozess zusammengestellt hatte, führte er nämlich auch eine private Mail an, die Seppelt an einen befreundeten Kollegen geschrieben hatte und die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Darin bemängelte Seppelt, wie das Erste investigative Dopingberichterstattung verdrängen würde – und wurde so nolens volens zum vermeintlichen Kronzeugen gegen seinen eigenen Arbeitgeber.

Zwei Monate später versetzt der nun seinen altgedienten Reporter vom Beckenrand. Zufall? Nein, sagt Werner Franke. Er erinnert sich daran, dass die ARD-Vertreter im Vorfeld der Verhandlung vor allem auf Seppelts E-Mail eingingen: „Ich hatte insgesamt 49 Vorgänge dokumentiert, doch die interessierten die ARD-Leute fast gar nicht. Die E-Mail von Seppelt hat sie einfach besonders gestört, weil es einer aus dem eigenen Haus war.“

Offiziell begründet die ARD Seppelts Versetzung damit, dass man mit dem neuen Mann Tom Bartels jemanden habe, der durch sein besonderes Talent als Live-Reporter überzeuge. Dass man mit seiner Arbeit als Kommentator nicht mehr zufrieden sei, ist Seppelt nach eigenen Angaben bis zur Absetzung aber nie mitgeteilt worden.

Außerdem führt das Erste an, dass Bartels dem Sender ganzjährig zur Verfügung stünde – im Gegensatz zu Seppelt, der beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) nur über eine halbe Stelle und deshalb über begrenzte Einsatzzeit verfüge. Doch ob volle, halbe oder gar keine Stelle spielt beim Sport in der ARD normalerweise keine Rolle – selbst Stars wie Monica Lierhaus sind „nur“ freie Mitarbeiter.

Hajo Seppelt selbst möchte sich zu den Gründen seiner Versetzung nicht öffentlich äußern. Jedenfalls nicht mehr.

Hannah Pilarczyk