Schwere Vergiftung dank UN-Verwaltung

Im Kosovo wurden Roma und Aschkali von der UN-Verwaltung an einer vergifteten Halde angesiedelt. Die Folge: schwere Gesundheitsschäden. Jetzt zieht das Lager in Mitrovica 50 Meter weiter in Container, die Soldaten wegen Vergiftung verließen

UN-Funktionärin relativiert: „Überall in Europa werden Roma diskriminiert“

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Die UN-Mission im Kosovo ist nervös. Denn Berichte über Bleivergiftungen von Roma und Aschkali in Mitrovica deuten auf einen Skandal, den die UN-Verwaltung zu verantworten hat. Die 560 Menschen waren 1999 in zwei Lagern nahe giftigen Abraumhalden des Bleibergwerks Trepca angesiedelt worden. Sie waren über sieben Jahre lang dem mit Blei versetzten Staub ausgesetzt. Ihre gesundheitlichen Schäden sind nicht mehr zu leugnen.

Auf Initiative der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wurden vor wenigen Tagen sieben bleivergiftete Kinder zur Genesung nach Deutschland eingeladen. Im „Institut für Functional Medicine und Umweltmedizin“ in Bad Emstal sollen sie nun entgiftet werden. Ein Mädchen fiel in den letzten Wochen immer wieder ins Koma. „Es war zu befürchten, dass sie sterben würde“, berichtete Institutsleiter Klaus-Dietrich Runow gestern auf einer Pressekonferenz in Bad Emstal. Er hatte sich selbst vor Ort ein Bild machen können.

Die von ihm untersuchten 66 Haarproben übersteigen den Grenzwert um das über 200-fache, bei mehreren Kindern sogar um das 1.200-fache. Viele Proben wiesen sehr hohe Kadmium- und Arsenwerte auf. Paul Polansky, Vertreter der GfbV im Kosovo, geht davon aus, dass mindestens 37 Todesfälle in dem Lager auf Bleivergiftungen zurückzuführen sind. Viele der in dem Lager verbliebenen Kinder zeigten Symptome schwerer Bleivergiftung wie Gedächtnisverlust, Koordinationsschwierigkeiten und komatöse Zustände. Es sei zu befürchten, dass sie irreversible Schädigungen haben. Deshalb fordert die GfbV die sofortige Evakuierung der Menschen aus dem Lager und ihre beschleunigte Rückkehr in ihre ursprünglichen Wohnungen.

Die Roma und Aschkali stammen aus Bosanska Mahala, einem Viertel der Stadt auf der nördlichen Seite des Ibarflusses. Seit dem Sommer 1999, als nach dem Krieg gegen Serbien Nato-Truppen in das Kosovo einmarschierten, ist Mitrovica zwischen Albanern und Serben geteilt. Die Gebiete nördlich des Flusses sind von Serben beherrscht, die im Süden von Albanern. Nur die nördlich gelegene Mahala wurde dem Süden zugesprochen.

Noch Monate nach dem Nato-Einmarsch kam es an der Demarkationslinie und dem Gebiet der Mahala zu Schießereien zwischen Serben und Albanern. Französische Truppen zerstörten zudem einige Häuser, um Platz für ihre Panzer und Unterstände zu schaffen, andere Häuser wurden durch Kampfhandlungen unbewohnbar. Die vornehmlich aus Roma und Aschkali bestehende Bevölkerung musste evakuiert werden. Sie wurde an den Rand der giftigen Abraumhalden verbannt, das in der von Serben beherrschten Zone liegt. In der Folge wurden viele Häuser in der Mahala ausgeraubt, andere von Albanern zerstört, um widerrechtlich neue Häuser zu bauen. Das Schicksal der ursprünglichen Bewohner kümmerte die UN-Mission nicht, die seither das Land verwaltet. „Überall in Europa werden Roma diskriminiert“, erklärte eine UN-Funktionärin.

Umweltschützer wie der frühere Studentenführer Albin Kurti betonen, dass die gesamte Stadt Mitrovica verseucht sei. Der Grad der Verseuchung steigere sich, je näher man den Abraumhalden komme. Marcia Poole, die Sprecherin der UN-Mission, sagte gestern der taz, die UN habe bereits eines der Lager aufgelöst. Es seien jetzt nur noch rund 260 Menschen in der gefährdeten Zone und nicht mehr 560, wie von der GfbV behauptet. Die restlichen Bewohner würden in ein anderes Lager verlegt. Mit Hochdruck werde jetzt am Wiederaufbau der Mahala gearbeitet. Einen Zeitplan wollte sie jedoch nicht nennen.

Der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch bewertet jedoch den Umzug in ein nur 50 Meter entferntes Containerlager als unzumutbar. Schließlich seien die dort vorher stationierten Soldaten gerade wegen Kontaminierung abgezogen worden. Er kritisierte, dass die deutsche Bundesregierung 500.000 Euro für das Lagerprojekt bereitgestellt habe.