„Sea Watch“-Initiator über Flüchtlinge: „Wir fahren da jetzt einfach hin“

Eine Privatinitiative will mit der „Sea Watch“ ins Mittelmeer fahren, um gegen die Politik der EU zu demonstrieren. Initiator Höppner erklärt die Gründe.

„Sea Watch“ will sie unterstützen: Flüchtlinge im Mittelmeer. Bild: ap

taz: Herr Höppner, Sie wollen mit einem Schiff ins Mittelmeer fahren um zu verhindern, dass dort noch mehr Menschen ertrinken. Wie wollen Sie das anstellen?

Harald Höppner: Wir werden eine Art Telefonzelle auf hoher See sein, auf der es auch einen Erste-Hilfe-Koffer gibt. Das heißt, dass wir stellvertretend SOS-Signale senden und auf Flüchtlingsboote in Seenot aufmerksam machen wollen. Wir haben Rettungsinseln, Schwimmwesten und Funkgeräte an Bord. In akuten Notfällen können wir auch medizinische Notversorgung leisten.

Flüchtlinge werden Sie nicht aufnehmen?

Das ist nicht geplant. Sollten wir von der Seenotrettung dazu aufgefordert werden, würden wir das aber auch machen.

Und was ist, wenn Sie auf ein sinkendes Boot treffen mit hundert Flüchtlingen und die Küstenwache nicht erreichen?

Das ist dann die Entscheidung des jeweiligen Kapitäns. Wir sind da grundsätzlich sehr vorsichtig und würden nur im Not- und Ausnahmefall weitere Menschen als die Crew an Bord nehmen. Aber wir haben Rettungsinseln für 500 Leute mit, die wir zu Wasser lassen können und auch jede Menge Schwimmwesten.

Hinter der Initiative stecken vor allem Sie, Ihre Frau und ein Freund und Geschäftspartner. Ist das nicht eine arg kleine Besatzung?

In unserer Unterstützerkartei haben wir mittlerweile über 60 Menschen, darunter viele Seeleute, Rechtsanwälte, Ärzte, die mitfahren wollen. Wir selber werden gar nicht die ganze Zeit an Bord sein, eine ausgebildete Crew wird das Schiff fahren.

41, ist Einzelhändler und Geschäftsführer bei einer Bekleidungsfirma in Berlin. Er hat das Projekt Sea Watch mitinitiiert.

Warum machen Sie das?

Wir wollen nicht länger zuschauen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken. Die Idee für das Projekt entstand im vergangenen Herbst, rund um die Feierlichkeiten zur Maueröffnung und die gleichzeitige erneute Flüchtlingswelle durch die Gewalt des Islamischen Staates in Syrien. Ich lebe in Berlin, für mich war die innerdeutsche Grenze viele Jahre sehr real und konkret. Die EU-Außengrenze ist auch eine deutsche Grenze. Heute sterben dort die Menschen bei dem Versuch, sie zu bezwingen. Wir dachten uns: Wir fahren da jetzt einfach mal hin. Wir brauchen ein Schiff, dann geht’s los!

Die Initiative wird zunächst durch Ihr Privatgeld finanziert. Wieso stecken Sie Ihr Vermögen in so ein Projekt?

Wir haben in den letzten 20 Jahren im Einzelhandel ein bisschen Geld verdient, das wir dafür nutzen wollen. Ich habe auf meinen Geschäftsreisen nach Indien und Indonesien viel Gastfreundschaft erlebt und will davon gerne etwas zurückgeben. So ein Schiff kostet ja nun auch nicht die Welt, und die Crew wird in erster Linie ehrenamtlich arbeiten.

Eigentlich seltsam, dass noch niemand vor Ihnen auf die Idee gekommen ist.

Irgendjemand muss anfangen. Aber im Ernst, unsere Idee ist schon, auch andere anzustecken. Warum fahren nicht alle deutschen Jachteigner zum Beispiel mit ihren Schiffen da runter?

Am Freitag wird die „Sea Watch“ getauft. Wie geht es weiter?

Mitte April geht es los. Wir sind weder Berufsaktivisten noch Berufsseeleute und haben erst im Januar angefangen, das Projekt konkret zu planen. Deshalb liegt noch sehr viel Organisation vor uns. Zum Beispiel steht noch nicht fest, welche Crew in welchem Zeitraum fahren wird.

Wer entscheidet das?

Ob jemand als Kapitän geeignet ist, wird von Kapitänen entschieden. Wir gucken uns alle Leute an, die sich bei uns melden und entscheiden dann.

Wie lange wird die „Sea Watch“ unterwegs sein?

Erstmal ist nur eine Saison geplant. Wir werden in zwei Wochen losfahren und rechnen etwa einen Monat für die Überfahrt nach Malta. Dann wollen wir dort drei Monate lang unterwegs sein. Auf Malta haben wir eine kleine Ecke auf einem Campingplatz gemietet, die wir als Basisstation nutzen wollen. Ob es im nächsten Jahr weitergeht, ist unklar. Vielleicht ändert sich ja etwas. Wenn die EU ihre Hilfsmaßnahmen aufstocken sollte, drehen wir wieder um.

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