Krieg im Kongo: „Ihr habt uns lang genug terrorisiert!“

Die UNO im Kongo unternimmt einen letzten Versuch, die FDLR-Kämpfer zum Ende des Krieges und zur Rückkehr nach Ruanda zu bewegen.

Die FDLR-Kämpfer von Kanyabayonga im Ostkongo beim Gebet vor der internationalen Delegation. Bild: Simone Schlindwein

KANYABAYONGA taz | Der Hubschrauber landet, die Kämpfer stehen stramm. In Reih und Glied schließen sie die Augen und blicken zu Boden, als einer laut betet: „Gott, wir erwarten deine Antwort auf unsere Geduld, erhöre unsere Gebete und helfe uns!“ – „Amen“, antworten die Krieger im Chor. Dann salutieren sie vor den Besuchern.

Eine Delegation der UN-Mission im Kongo (Monusco), kongolesische Regierungsvertreter und ein Vertreter der SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) sind in die Berge geflogen, um die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu überreden, nach Jahren des Krieges im Ostkongo in ihre Heimat Ruanda zurückzukehren. Über 80 FDLR-Kämpfer hausen derzeit in einem UN-Lager in der Kleinstadt Kanyabayonga in der Provinz Nord-Kivu, gemeinsam mit über 200 ihrer Frauen und Kinder.

Das UN-Lager liegt auf einem Hügel oberhalb der Stadt. Es besteht aus weißen Zelten, in denen die Kämpfer mit ihren Frauen auf dem nackten Boden schlafen. Gekocht wird in großen Töpfen unter einem Wellblechdach.

Es ist ein Provisorium: Im Mai 2014 hatte die FDLR die freiwillige Entwaffnung ihrer rund 1.300 Kämpfer angeboten. Die UNO und die SADC hatten ihnen ein Ultimatum bis 2. Januar 2015 gesetzt, alle Truppen zu entwaffnen. Weil bis jetzt nur 337 Kämpfer übergeben wurden, rüsten sich UN-Blauhelme und Kongos Armee für Militärschläge.

Zahlreiche Kinder sind krank

Doch was passiert mit den bereits entwaffneten FDLR-Kämpfern? „Wir sind verantwortlich für ihr Wohlergehen, vor allem für die Kinder und Frauen“, sagt Adriaan Verheul, Chef des Demobilisierungs- und Repatriierungsprogramms der UN-Mission. Erst vergangenes Wochenende starb ein zweijähriges Mädchen im Lager, zahlreiche Kinder sind krank. Die meisten sind nicht geimpft, ihr Immunsystem nach wochenlangen Märschen durch den Dschungel schwach, sie sehen schmutzig und unterernährt aus.

„Die Lager waren als Transitcamps angedacht, von wo aus wir die FDLR-Kämpfer nach Ruanda repatriieren wollten. Jetzt sind sie alle übervoll“, sagt Verheul. Denn die FDLR-Kämpfer weigern sich, in ihre Heimat zurückzukehren. Die UN steckt in einer Zwickmühle: Sie darf die Krieger nicht gewaltsam abschieben, hat aber auch keine Kapazitäten, sie zu unterhalten. Was tun?

Adriaan Verheul will es noch einmal versuchen. Der Holländer steht im beigen Anzug vor dem ranghöchsten FDLR-Offizier im Lager: Oberstleutnant Deo Nkwishiaka. „Es gibt für euch nur noch zwei Optionen: Entweder wir bringen euch freiwillig nach Hause oder euch drohen Militärschläge“, sagt Verheul im diplomatischen Ton. Der FDLR-Oberst verzieht keine Miene. „Wir sind ja auch für Frieden, aber dazu muss sich Ruanda auf Verhandlungen mit uns einlassen, sonst gehen wir nicht zurück“, sagt er trotzig. Der Oberst sagt, was ihm seine Führung draußen aufgetragen hat.

„Ihr seid Banditen und Terroristen!“

Dann steht der Vertreter von Kongos Regierung auf. Delphin Paluku Masika platzt der Kragen: „Ihr seid Banditen und Terroristen!“ brüllt er. „Wenn ihr mit eurer Regierung zu Hause reden wollt, warum gründet ihr dort nicht eine politische Partei und kämpft für eure Rechte zu Hause? Ihr habt uns Kongolesen jetzt lange genug terrorisiert!“

Der FDLR-Oberst guckt erschrocken. Bislang stand Kongos Regierung und Armee hinter der FDLR. Jetzt scheint damit Schluss zu sein. Michael Thabo Senoke von der südafrikanischen Botschaft ergreift das Wort. Er ist im Auftrag der SADC da – deren Mitglieder Südafrika, Tansania und Malawi stellen die Soldaten für die 3.000 Mann starke UN-Eingreiftruppe FIB, die gemeinsam mit Kongos Armee die FDLR angreifen soll, sobald Kongos Präsident Joseph Kabila dazu den Befehl gibt. „Wir wollen kein Blutvergießen, aber jetzt sind die Militäroperationen unausweichlich“, erklärt der Südafrikaner den ruandischen Milizionären. „Also beschützt eure Kinder und geht freiwillig nach Hause. Sonst wird Blut fließen.“

FDLR-Oberst Nkwishiaka ist spürbar verunsichert. „Ich habe Anweisungen und bin meiner Führung treu“, stottert er. Er hat keine Wahl: Wer bei der FDLR Befehle missachtet, wird unter Umständen mit dem Tod bestraft.

Verheul bricht ab. Stattdessen packt er Fußbälle aus, die er gebracht hat. „Jedes Mal, wenn ihr eure Kinder damit spielen seht, denkt an meine Worte: In Ruanda könnt ihr in Würde leben, hier können wir euch nicht in Würde versorgen. Also trefft die richtige Entscheidung“, sagt er und wirft die Bälle in die Menge.

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