Lokale Leidenschaft

Geburtstag Der Hamburger Laden Hanseplatte feiert

Am Schaufenster prangen Slogans wie „Molotow muss bleiben“, drinnen reckt ein brillenloser Udo Lindenberg als Starschnitt auf der Klotür den Daumen nach oben. Dass in der Hamburger „Hanseplatte“ Waren auf einzigartige Weise verkauft werden, wird sofort klar.

In einem Betonklotz zwischen dem Schanzen- und dem Karolinenviertel liegt das Geschäft. „Unser Anliegen war immer, das Kleine, das Zarte, das Gute zu fördern“, sagt Gereon Klug, Spiritus Rector von Hanseplatte. Es ist der bundesweit einzige Plattenladen, der ausschließlich Musik von lokalen Künstlern und Labels anbietet. Was woanders schwer verkäuflich ist, hier steht es prominent auf 80 Quadratmetern. Wobei, neben Vinyl finden sich Romane von Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun, aber auch Biosaucen der Marke „Senf Pauli“, maritime Pullover und „Raucherkissen“: Bezüge mit dem Konterfei von Helmut und Loki Schmidt. Von Musik allein kann der Spezialladen nicht existieren, kalkulatorisch machen Döntjes mit höherer Gewinnspanne die Sortimentmischung. Und trotzdem, Topseller des Geschäfts waren Alben von Tocotronic und DJ Koze, wie Klug berichtet.

„Dass es uns noch gibt, ist eine Auszeichnung der Welt an den Laden“, sagt der 47-Jährige. Seine Newsletter, mittlerweile in Buchform erhältlich, trugen maßgeblich zum Ruf des Ladens bei: Verzweifelt über fehlende Aufmerksamkeit hat Klug aus dem schlecht beleumundeten Format wöchentlich erscheinende E-Mail-Glossen gegossen, die den Alltag der Hamburger Musikszene großartig parodieren.

Der Erfolg von Hanseplatte, verläuft antizyklisch zur großen Krise der deutschen Musikindustrie. Heute Abend feiert der Laden sein zehnjähriges Bestehen mit einer Party, die auch den benachbarten Club Knust mit einschließt. Neben einer Lesung von Andreas Dorau und Klug himself treten die Lokalhelden Knarf Rellöm und die Chanson-Blues-Halunken Ricky Kings auf. Weitere Stargäste sind angekündigt.

Alle Einnahmen fließen an die Initiative Refugees welcome Karoviertel, die etwa Patenschaften für jugendliche Flüchtlinge organisiert. Bis vor Kurzem waren mehr als 1.000 Geflüchtete in einer Messehalle untergebracht, einen Steinwurf von der Hanseplatte entfernt.

Der echte Lindenberg war übrigens auch schon im Laden, kontrollierte sein Plattenfach und zündete sich ungeniert eine Zigarre an. Daumen hoch.

Jan Paersch