Neuer Kurs: Zschäpe versucht, Emotion zu zeigen

JUSTIZ Im NSU-Prozess beteuert die Angeklagte, ihre wahren Gefühle bisher verborgen zu haben

„Das war Taktik, völlig substanzlos“

Opferanwalt Sebastian Scharmer

MÜNCHEN dpa/taz | Der NSU-Prozess in München befindet sich auf der Zielgeraden, nun versucht Beate Zschäpe noch ihr bisheriges Bild zu korrigieren. Am Dienstag, Prozesstag 333, ließ sich die Hauptangeklagte erneut über ihren Anwalt ein – und beteuerte, sehr wohl mit den NSU-Opfern mitzufühlen.

Deren Zeugenauftritte seien ihr „sehr nahe“ gegangen, erklärte Zschäpe. Auch das NSU-Bekennervideo, das sie das erste Mal überhaupt im Prozess gesehen habe, habe sie erschreckt. Dass sie dennoch keine Gefühle gezeigt habe, sei dem Versuch geschuldet, psychisch nicht zusammenzubrechen. Auch hätten ihre ersten Pflichtverteidiger dazu geraten. Diese hätten sie auch zur Schweigestrategie gedrängt, die Zschäpe bis zum Dezember 2015 durchgezogen hatte.

Schon im Untergrund, führte ihr neuer Anwalt aus, habe sie sich das Verbergen von Gefühlsregungen angewöhnt. Dies habe sie nun im Prozess fortgesetzt. Ihre Distanzierung von der rechtsextremen Szene sei aber „absolut ernst gemeint“.

Die Einlassung kommt nicht zufällig. Eigentlich sollte am Dienstag der Gerichtspsychiater Henning Saß sein Gutachten über Zschäpe vorstellen. Ihre Alt-Verteidiger aber verhinderten dies erneut mit einer Reihe von Anträgen. Saß hatte in einem vorläufigen Gutachten ein desaströses Bild von Zschäpe gezeichnet: Empathielos und manipulativ gebe sich diese, sie wirke ungeläutert. Auch das Verhängen einer Sicherungsverwahrung schloss Saß nicht aus.

Anwalt Sebastian Scharmer, der die Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubasik vertritt, nannte Zschäpes Einlassung denn auch „reine Taktik“. Es sei ein Versuch, sich als Opfer zu inszenieren. Die Schilderungen ihrer Emotionen blieben aber „vollkommen substanzlos“. Umso mehr, da Zschäpe weiter ablehne, Fragen der Opferangehörigen zu beantworten.

Diese Haltung bekräftigte Zschäpe am Dienstag: Dies sei keine Missachtung, sie habe eben schon alles Prozessrelevante gesagt. Den Rest müssten nun Untersuchungsausschüsse klären. KO