Teufelsaustreiber waren keine Mörder

JUSTIZ Ein Gericht verurteilt fünf Koreaner zu Haftstrafen. Sie hatten bei einem Exorzismus eine Verwandte zu Tode gequält

Nun verurteilt: einer der Angeklagten im Prozess am Landgericht Frankfurt/Main Foto: Boris Roessler/dpa

Aus Frankfurt AM Main Christoph Schmidt-Lunau

Sechs Jahre Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge, so lautet des Urteil der 3. Jugendstrafkammer des Frankfurter Landgerichts gegen die Hauptangeklagte, die 45-jährige Koreanerin Doeon K.. Dazu kommen Bewährungsstrafen für ihre vier jugendlichen und heranwachsenden MittäterInnen. Mit diesem Richterspruch ging am Montag der fünf Monate währende Prozess nach einem bizarren Todesfall in der Suite 433 eines Frankfurter Luxushotels zu Ende.

Die fünf Angeklagten hatten am 5. Dezember 2015 in dem Hotel ihre Verwandte Seonhwa P., 41 Jahre, zu Tode gequält. Angeblich hatten sie der Frau helfen und ihr den Teufel austreiben wollen. So hatten es die Peiniger der Frau, darunter auch ihr damals 15-jähriger Sohn, bei ersten Vernehmungen gesagt.

In ihrer Anklage ging die Staatsanwaltschaft noch von einem Mord aus. Deshalb saßen die Angeklagten bis zum Urteil in Haft. Vor und nach jeder Verhandlung klickten die Handschellen um ihre Handgelenke, auch noch am Tag des Urteils. Dieser Umgang ist für die beiden 16-jährigen Jugendlichen und die beiden Heranwachsenden nun vorbei. Das öffentlich gezeichnete Bild sei verzerrt gewesen, sagte der Vorsitzende Richter in seinem Urteil. Die Angeklagten hätten in ihrer schamanistischen Glaubenswelt den Dämon quälen wollen, von dem sie meinten, dass er in das Opfer gefahren sei.

Zum Prozessauftakt hatte die Staatsanwaltschaft von einem „gefühllosen und unbarmherzigen“ gemeinschaftlichen Mord gesprochen. Das Opfer war nach einem langen Todeskampf qualvoll erstickt. Der Leichnam war mit Hämatomen übersät. Im Mund der Toten steckten ein Handtuch und ein mit Stoff überzogener Kleiderbügel, die Mundwinkel waren eingerissen.

Ihre Mandanten seien in ihrer spirituellen Scheinwelt gefangen gewesen, hatte die Verteidigung zuletzt vorgetragen. Nur so lasse sich auch erklären, warum sie einen Geistlichen einer koreanischen Glaubensgemeinschaft gerufen hätten und nicht einen Arzt, als ihnen der Exorzismus entglitten war.

Mit ihren verlesenen Erklärungen gewährten die Angeklagten einen kleinen Einblick in ihre bizarre Glaubens- und Lebenswelt. In dem Haus, das sie zunächst bezogen hatten, um ein Im- und Exportunternehmen zu etablieren, habe es gespukt. Zur Abwehr böser Geister hätten sie Getreidesamen ausgestreut, vergeblich. Deshalb seien sie schließlich in zwei Suiten im luxuriösen Interconti Frankfurt umgesiedelt.

Die Angeklagten hätten fahrlässig den Tod herbeigeführt, so die Staatsanwältin

Die Frau, die im Hotel zu Tode kam, sei besessen gewesen, habe um sich geschlagen und ihre Verwandten zu beißen versucht. Aus der Sorge, sie könne sich selbst verletzen, seien bei ihr Handtuch und Kleiderbügel zum Einsatz gekommen, ließen die Angeklagten mitteilen.

Hätte das Gericht auf Mord erkannt, hätte zumindest die Haupttäterin mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen müssen. Doch auch die Staatsanwaltschaft ging zuletzt nicht mehr von einem vorsätzlichen Mord aus. In ihrem Plädoyer sprach Staatsanwältin Nadja Böttinger stattdessen von Körperverletzung mit Todesfolge. Die Angeklagten hätten ihr Opfer vorsätzlich geschlagen und getreten und dabei fahrlässig ihren Tod herbeigeführt.

Zugunsten der minderjährigen Angeklagten hatte Böttinger auf die streng hierarchische Ordnung in der koreanischen Familie hingewiesen. Die Hauptangeklagte Deoen K. sei für ihre Kinder und Neffen eine Respektsperson gewesen, die Jugendlichen hätten sich dem gewaltigen Treiben deshalb kaum widersetzen können.