Dortmund

Wer hat die Sprengsätze gebaut, die am Bus der BVB-Fußballer explodiert sind? Und warum? Noch sind viele Fragen offen

„Mit Metallstiften gespickt“

ERMITTLUNGEN Die Bundesanwaltschaft geht von einem Terroranschlag aus. Möglicherweise waren es Islamisten, sicher ist das aber noch nicht

Nach dem Anschlag: Polizeischutz für Borussen Foto: M. Hitij/Getty Images

KARLSRUHE/BERLIN taz | Die Bundesanwaltschaft (BAW) geht derzeit von einem islamistischen Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund aus. Eine Person aus der islamistischen Szene wurde vorläufig festgenommen. Ein hochrangiger Ermittler warnte jedoch: „Wir haben uns abgewöhnt, in Schablonen zu denken.“

Die Bundesanwaltschaft, die nur für Terror, Spionage und Kriegsverbrechen zuständig ist, hat die Ermittlungen bereits am Dienstagabend um 23.20 Uhr übernommen. Zunächst sprach ein Bekennerschreiben mit islamistischen Bezügen für einen Terroranschlag. Im Laufe des Mittwochs zeigte sich, dass die Sprengsätze so professionell konstruiert waren, dass von einem Anschlag auszugehen ist. Vor Journalisten begründete BAW-Sprecherin Frauke Köhler den Terrorverdacht am Mittwochnachmittag nur noch mit den „Tatmodalitäten“.

Es wurden drei Sprengsätze entlang der Busroute hinter einer Hecke deponiert. Als der Bus passierte, detonierten sie. Die „Sprengwirkung“ habe „mehr als 100 Meter“ betragen. Die Sprengsätze seien mit Metallstiften gespickt gewesen. Einer der Metallstifte habe sich in die Kopfstütze eines Sitzes in dem BVB-Bus gebohrt. „Wir können von Glück sagen, dass nichts Schlimmeres passiert ist“, sagte die BAW-Sprecherin. Der BVB-Abwehrspieler Marc Bartra wurde bei dem Anschlag an der Hand und am Arm verletzt.

Am Tatort wurden inzwischen drei textgleiche Bekennerschreiben gefunden, die jeweils aus nur acht Sätzen bestehen. Nach taz-Informationen beziehen sie sich zunächst verklausuliert auf den Anschlag des Tunesiers Anis Amri in Berlin, dann auf Merkel und ihre „kleinen dreckigen Untertanen“, auf deutsche Tornados „über dem Boden des Kalifats“ und auf die angebliche Todesliste des IS, auf der „ungläubige Schauspieler, Sänger, Sportler und Sämtliche prominente in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen“ (so im Original) stehen. Am Ende folgen zwei Forderungen: Abzug der Tornados aus Syrien und die Schließung der US-Airbase in Ramstein (Rheinland-Pfalz).

Die Bekennerschreiben gelten als ungewöhnlich. Bisher haben islamistische Terroristen keine derartigen Schreiben an den Tatorten zurückgelassen, sondern sich eher über ihre Internetkanäle zu Anschlägen bekannt. Auch dass konkrete Forderungen gestellt werden, ist nicht typisch für den IS. Die Texte werden derzeit von Islamwissenschaftlern darauf geprüft, ob vielleicht ein islamistischer Hintergrund nur vorgetäuscht wird.

Allerdings teilte die BAW mit, dass derzeit zwei Personen aus der islamistischen Szene „in den Fokus“ der Ermittlungen gerückt seien. Nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers handelt es sich dabei um einen 25-jährigen Iraker aus Wuppertal sowie einen 28-jährigen Deutschen aus Fröndenberg (Kreis Unna). In diesem Zusammenhang wurden auch zwei Wohnungen durchsucht. Dabei wurde eine Person vorläufig festgenommen. Die BAW prüft derzeit, ob sie Haftbefehl beantragt. Darüber müsste spätestens am Donnerstag entschieden werden. Auch nach dem Berliner Anschlag im Dezember war zunächst ein Unbeteiligter – ein Mann aus Pakistan – festgenommen worden.

Eine andere Spur hatte sich da längst als Fake entpuppt. So war in der Nacht zu Mittwoch auf dem linksradikalen Internetportal „linksunten.indymedia.org“ auch ein zweites angebliches Bekennerschreiben veröffentlicht worden. Dort hieß es, der Anschlag sei eine Reaktion „für die Politik des BVB, die sich nicht genügend gegen Rassist_innen, Nazi_innen und Rechtspopulisten_innen einsetzt“. Der Text wurde schnell gelöscht, da er wie ein schlechtes Imitat linker Aufrufe wirkte. Begriffe wie „Mensch_innen“ und „Nazi_innen“ werden dort jedenfalls nicht verwendet. Auch das BAW hat nun „erhebliche Zweifel“ an dieser Bekennung.

Schon als im September 2016 in Dresden vor einer Moschee und dem Kongresszentrum zwei Brandsätze explodierten, tauchte wenig später ein angebliches „Bekennerschreiben“ der Antifa auf „Indymedia“ auf. Die Polizei nahm später einen ganz anderen Tatverdächtigen fest: einen 30-jährigen Pegida-Anhänger. Auch die Neonazi-Gruppe „Oldschool Society“, die im März als rechtsterroristische Vereinigung verurteilt wurde, hatte in internen Chats darüber sinniert, Anschläge zu begehen, die man den „musels in de schuhe schieben“ könnte.

Die Ermittlungen zum Dortmunder Anschlag werden jetzt im Auftrag der Bundesanwaltschaft vom Bundeskriminalamt übernommen. Bei der BAW lobte man die Tätigkeit der bislang zuständigen Dortmunder Polizei. Sie habe sehr schnell erkannt, dass es hier um „versuchten Mord“ geht. Christian Rath

Konrad Litschko