Umgang mit dem Abgas-Skandal: Dobrindts Sauber-Zauber
Verkehrsminister Dobrindt sieht nur noch zwei von ehemals 19 CO2-Sündern bei Dieselautos. Er kündigt ein neues Institut zur Abgasmessung an.

taz | Wer weiß? Wenn der Verkehrsminister auffällige Diesel noch ein paar Mal überprüfen lässt, vielleicht werden sie dann zu einer Kohlendioxid-Senke? Ganz so weit ist Alexander Dobrindt (CSU) noch nicht, aber fast. Gestern hat er in Berlin die Ergebnisse einer Nachmessung von 19 Dieselmodellen vorgestellt, die in einem Test des Kraftfahrtbundesamtes im vergangenen Jahr zum Teil deutlich mehr Kohlendioxid ausgestoßen hatten, als von den Herstellern versprochen. Ergebnis der neuen Messung: Nur noch zwei Modelle zeigten erhöhte CO2-Werte, alle anderen waren diesmal unauffällig.
Betroffen sind laut dem „Zweiten Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen“ eine Version des Opel Zafira und ein Smart Fortwo. Rund 17 000 dieser Autos fahren in Deutschland herum, neu gebaut werden sie nicht mehr. Auch lagen die Abweichungen von den Herstellerangaben unter zehn Prozent, so dass weder die Zulassung entzogen, noch die auf den CO2-Ausstoß ausgerichtete Kfz-Steuer der Modelle neu berechnet werden müssen.
„Bei diesem Test durften die Autobauer alle Schlupflöcher ausnutzen, die es gibt“, sagt Peter Mock, Geschäftsführer des International Council on clean Transportation (ICCT) Europe. Audi und Co bestimmten die Motortemperaturen, schalteten die Klimaanlage ab und nutzten die voll geladene Batterie aus – und maßen so die Ergebnisse schön. Bei diesen Tests sei „alles auf niedrigen Verbrauch eingestellt“, sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Organisation habe „Indizien“, dass die Hersteller auch bei den Messungen des Verbrauchs Software einsetzen, die die Daten beschönige, „aber dem ist das Kraftfahrtbundesamt nicht nachgegangen“, so Resch.
Allerdings fürchtet auch Minister Dobrindt inzwischen um die Glaubwürdigkeit der Deutschen Autoindustrie: Unterschiede zwischen den behördlichen Messungen im Labor und den tatsächlichen Ergebnissen im Realverkehr sorgten „für Verunsicherung bei Verbrauchern und in der Öffentlichkeit“, heißt es aus dem Ministerium. Daher soll künftig ein neues Institut – organisiert als Verein – für mehr Klarheit sorgen.
„Das ist nur ein Placebo“
Das „Deutsche Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen“ (DIVEM) soll laut Dobrindt noch 2017 gegründet werden, unter Beteiligung von Kommunen und Nichtregierungsorganisationen, finanziert von der Autoindustrie. Mit einem Budget von rund zwei Millionen Euro soll das als Verein organisierte DIVEM etwa 70 Autos im Jahr testen.
„Ich würde keiner Organisation raten, dort mitzumachen“, sagt Wolfgang Jäckle, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Politik bei Transparency International Deutschland. „Dieser Verein ist nur ein Placebo“, so Jäckle. Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist skeptisch: Prüfinstanzen bräuchten „fachliche und finanzielle Unabhängigkeit“, so ein Sprecher, „bei einem Institut, das im Wesentlichen die Autobranche tragen soll, ist fraglich, wie das sichergestellt werden kann“.
Trotzdem will Hendricks zusammen mit Dobrindt den deutschen Diesel retten: Am „Nationalen Forum Diesel“ sollen weitere Ministerien und die Branche „die Emissionen deutschlandweit senken“, so Dobrindt. Wenn er alle Fahrzeuge noch ein paar Mal testet, wird ihm das sicher gelingen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert