Freispruch trotz Manipulationen

Transplantationsskandal Göttinger Arzt fälschte Patientenunterlagen – und geht straffrei aus

KARLSRUHEtaz| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch den Freispruch für den Göttinger Transplantationsmediziner Aiman O. bestätigt. Dieser habe bei der Manipulation von Krankenunterlagen keinen Tötungsvorsatz gehabt.

Ab 2008 leitete Aiman O. an der Göttinger Uniklinik die Abteilung für Transplantationschirurgie. Im Sommer 2012 wurden Manipulationen bekannt. In elf Fällen habe Aiman O. die Unterlagen zugunsten seiner Patienten manipuliert, so die Staatsanwaltschaft. In fünf Fällen habe O. unterschlagen, dass die Kranken alkoholkrank waren. Damit habe er eine Richtlinie der Bundesärztekammer missachtet, wonach Empfänger einer Organspende vor der Operation mindestens sechs Monate abstinent sein müssen. Vor allem aber habe er eigene Patienten auf dem Papier kränker gemacht – um ihnen Vorteile auf der Warteliste zu verschaffen. Unter anderem habe er Laborwerte gefälscht.

Die Staatsanwaltschaft forderte eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Denn die Manipulation der Wartelisten habe kausal zur Verkürzung des Lebens anderer Patienten geführt. Diese Anklage lehnte das Landgericht Göttingen im Mai 2015 jedoch ab und sprach den Mediziner frei. Das Urteil sorgte für Aufsehen, denn es war – nach einer Reihe ähnlicher Manipulationen an anderen Kliniken – der erste Versuch, die Skandale strafrechtlich aufzuarbeiten.

Der fünfte BGH-Strafsenat in Leipzig wies nun die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch zurück. Der Arzt sei nicht davon ausgegangen, dass Patienten, die durch seine Manipulationen benachteiligt wurden, sterben, während sie bei Vornahme der Organverpflanzung hätten überleben können. Der Chirurg sei eher von einer komplexen Lage ausgegangen, bei der es Patienten manchmal ohne Transplantation besser gehe, während 5 bis 10 Prozent der Organempfänger bereits bei der Operation sterben. Das Landgericht habe daher zu Recht den Tötungsvorsatz abgelehnt.

Mittlerweile hat der Bundestag das Transplantationsgesetz verschärft. Seit 2013 ist auch die Manipulation von Wartelisten eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden kann.

Christian Rath