Abgas-Akten bleiben zu

Dieselskandal Bundesverfassungsgericht hat Eilbeschluss zugunsten von Volkswagen und der von VW beauftragten Anwaltskanzlei Jones Day erlassen

Dunkle Machenschaften unter dem Zeichen des Bösen Foto: Paul Langrock/Zenit

von Christian Rath

KARLSRUHE taz | Die bei einer Münchener Kanzlei beschlagnahmten Unterlagen zum Audi-Abgasskandal dürfen vorerst nicht ausgewertet werden. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht und erließ eine einstweilige Anordnung.

Die Beschlagnahme war im März von der Staatsanwaltschaft München II veranlasst worden, die im Zuge des Abgasskandals wegen Betrugs und strafbarer Werbung gegen noch nicht benannte Audi-Mitarbeiter ermittelt. 185 Aktenordner und unzählige Dateien wurden bei einer Durchsuchung im Münchener Büro der Anwaltsfirma Jones Day sichergestellt.

Jones Day ist eine der weltweit größten Kanzleien mit 2.500 Anwälten, davon 80 in Deutschland. Als in den USA gegen Volkswagen wegen Betrugs ermittelt wurde, beauftragte VW die Anwälte von Jones Day mit in­ternen Ermittlungen. Sie werteten Dokumente aus und befragten über 700 Mitarbeiter. Im Januar 2017 einigten sich VW und das US-Justizministerium, dass VW ein Strafgeld von 2,8 Milliarden Dollar zahlen muss.

Von diesen internen Ermittlungen wollte auch die Münchener Staatsanwaltschaft profitieren. Die Anwälte von Jones Day gaben allerdings nur mündlich Auskunft und verweigerten die Herausgabe von Unterlagen. Daraufhin erfolgte am 15. März die Durchsuchung der Kanzlei.

Das von VW und der Anwaltsfirma angerufene Landgericht München I billigte Anfang Mai die Aktion der Staatsanwaltschaft. Unternehmen könnten die Ergebnisse interner Ermittler nicht dem Zugriff des Staates entziehen. Sonst könnten Firmen durch den Einsatz von Anwaltskanzleien dem Staat das „scharfe Schwert der Ermittlungshoheit aus der Hand schlagen“. Hier liege kein klassisches Anwaltsmandat vor.

Dem widersprachen VW und die Anwaltsfirma vehement. Auch in solchen Fällen müsse das Vertrauensverhältnis zwischen Anwälten und Mandanten vor staatlichem Zugriff geschützt werden. VW, die Kanzlei und drei beteiligte Anwälte erhoben deshalb Verfassungsbeschwerde. Der Ausgang wird mit Spannung erwartet, da die Rechtsprechung in dieser Frage bislang uneinheitlich ist.

Das Bundesverfassungsgericht entschied noch nicht in der Sache, sondern stellte zunächst nur sicher, dass noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Die Staatsanwaltschaft darf die beschlagnahmten Akten deshalb vorerst nicht lesen und auswerten. Dies ergab sich aus einer „Folgenabwägung“ der Richter. Blieben die Verfassungsbeschwerden ohne Erfolg, würde sich lediglich die Auswertung der Unterlagen verzögern. Ein „Beweisverlust“ sei dabei nicht zu befürchten, so Karlsruhe.

VW, die Kanzlei und drei beteiligte Anwälte erhoben Verfassungsbeschwerde

Der Einsatz von Anwälten als interne Ermittler ist in Deutschland erst seit rund zehn Jahren üblich. Im Korruptionsskandal von Siemens wurde der Konzern damals allerdings von der US-Justiz dazu gezwungen. Heute schalten die Unternehmen freiwillig untersuchende Anwälte ein.

Verändert hat sich allerdings auch die Kooperationsbereitschaft gegenüber der Justiz. Früher war diese sehr groß, dagegen lassen sich die untersuchenden Anwälte heute nur noch bedingt in die Karten schauen.

(Az. 2 BvR 1562/17)