„Spring doch!“-Rufe sollen strafbar werden

NIEDERTRACHT Der Stuttgarter Justizminister Guido Wolf (CDU) fordert eine Verschärfung des Strafrechts

FREIBURG taz | Die Aufforderung zur Selbsttötung soll künftig strafbar sein. Dazu will Guido Wolf (CDU), der baden-württembergische Justizminister, der nächsten Justizministerkonferenz einen Entwurf vorlegen.

Anlass ist ein Vorfall in Baden-Baden. Auf dem Vordach eines Hotels stand Ende Juli ein verzweifelter Gast, der drohte, hinunterzuspringen. Als die Polizei eintraf, hatten sich bereits rund fünfzig Schaulustige versammelt. Einige der Gaffer forderten den Mann auf, in die Tiefe zu springen, und filmten die Szene mit ihrem Smartphone. Am Ende gelang es der Polizei, den Mann in Gewahrsam zu nehmen und in eine Klinik zu bringen. In einem Face­book-Post beschwerten sich die Beamten anschließend über die „beschämenden Szenen“.

Bisher sind die Rufe der Gaffer nicht strafbar. Weil die Selbsttötung keine Straftat ist, ist auch die die öffentliche Aufforderung straflos. Seit Mai 2017 ist es zwar strafbar, wenn Gaffer an einer Unfallstelle die Helfer behindern. Das passte im Baden-Badener Fall aber nicht.

„Diese Rechtslage halte ich für völlig unbefriedigend“, sagte jetzt Landesjustizminister Guido Wolf. „Wenn aus nackter Sensationsgier Menschen zum Suizid aufgefordert werden, ist das aus meiner Sicht unbedingt strafwürdig.“ Das „ethische Minimum“, sei „eindeutig verletzt, wenn Menschen sterben sollen, damit die Schaulust der Gaffer befriedigt wird“. Die Einführung eines neuen Strafdelikts soll die „gesellschaftlichen Werte stabilisieren“, auch wenn das Strafrecht allein den Werteverlust nicht stoppen könne.

Im Oktober 2016 hatte es im thüringischen Schmölln einen ähnlichen Fall gegeben. Ein jugendlicher somalischer Flüchtling war aus dem Fenster seiner Unterkunft gesprungen und hatte sich beim Fall aus dem fünften Stock tödlich verletzt. Auch damals sollen Schaulustige „Spring doch!“ gerufen haben. Es blieb am Ende aber offen, ob es die Rufe tatsächlich gab.

Guido Wolf will zur Justizministerkonferenz am 9. November einen konkreten Vorschlag vorlegen. Die Gesetzesänderung müsste aber im Bundestag beschlossen werden. In der Schweiz und in Österreich gibt es bereits entsprechende Vorschriften. Christian Rath