Flüchtlinge

Wer rettet die Menschen im Mittelmeer? Welche Regeln gelten dafür? Und welche gelten für die Verteilung der Ankommenden?

Auch Ungarn und die Slowakei sollen helfen

EUROPÄISCHES RECHT Eine Vorentscheidung und zwei Urteile zum Asylrecht: Umverteilung bleibt, Dublin bleibt, deutscher Dublin-Trick wird nicht anerkannt

Ungarn nahm bei der Umverteilung niemanden auf, die Slowakei 16 Personen

FREIBURG taz | Auch Ungarn und die Slowakei müssen Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen. Zu diesem Schluss ist der unabhängige Generalanwalt Yves Bot in einem Verfahren am Europäischen Gerichtshof gekommen.

Hintergrund: Im September 2015 beschloss der EU-Ministerrat, dass Griechenland und Italien entlastet werden sollen, weil dort besonders viele Flüchtlinge ankommen und nach den Dublin-Regeln die beiden Staaten für das Asylverfahren zuständig wären. 120.000 Flüchtlinge sollten deshalb auf andere EU-Staaten umverteilt werden. Ungarn wollte ausdrücklich nicht entlastet werden, weil es damit anerkannt hätte, für die dort ankommenden Flüchtlinge zuständig zu sein.

Die Slowakei hätte nach diesem Beschluss 906 Flüchtlinge aufnehmen müssen und Ungarn 1.294. Doch beide Staaten klagten dagegen.

Ungarn hat im Zuge der Umverteilung noch niemand aufgenommen, die Slowakei nur 16 Personen. Insgesamt wurden auch erst rund 24.000 Flüchtlinge umverteilt.

Generalanwalt Bot empfahl dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun, die Klage der beiden Staaten abzuweisen. Denn es gebe für den Beschluss eine klare Rechtsgrundlage in den EU-Verträgen: „Befinden sich ein oder mehrere Mitgliedstaaten aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen in einer Notlage, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten erlassen“, zitierte er Artikel 78 AEUV. Diese Bestimmung erlaube es dem Rat, alle befristeten Maßnahmen zu erlassen, die er für erforderlich hält, um eine Flüchtlingskrise zu bewältigen, so der Generalanwalt. (Az. C-643/15 u. a.)

Mit dem Urteil des EuGH ist im Herbst zu rechnen. Meist folgt er dem Schlussantrag des Generalanwalts. Dass dies in hochpolitischen Verfahren aber nicht immer so ist, zeigt ein zweiter Fall, der am Mittwoch bereits entschieden wurde.

Konkret ging es um einen Syrer und eine afghanische Familie, die jeweils über Kroatien in die EU eingereist waren. Kroatien hatte die Grenzen geöffnet und den Weitertransport durchs Land organisiert. Der Syrer beantragte daraufhin in Slowenien Asyl, die Afghanen taten es in Österreich. Die dortigen Behörden hielten nach den Dublin-Regeln aber Kroatien für zuständig, weil dort die „illegale Einreise“ stattgefunden hat.

Solidarisch sein

In einem spektakulären Votum hatte Generalanwältin Eleonor Sharpston im Juni empfohlen, die Dublin-Regeln in solchen Fällen nicht anzuwenden, weil sie nicht auf einen Massenzustrom von Flüchtlingen passten. In der Folge wären Slowenien und Österreich für Asylverfahren und -gewährung zuständig gewesen, weil dort die Asylanträge gestellt wurden.

Doch der EuGH kam nun zu einer ganz anderen Lösung. Die Einreise nach Kroatien müsse schon deshalb als illegal gelten, weil Kroatien sonst nicht mehr für die Asylverfahren zuständig wäre. Durch die Gestattung der Einreise aus humanitären Gründen könnten die Dublin-Regeln nicht außer Kraft gesetzt werden. Diese gälten auch bei einem Massenzustrom an Flüchtlingen.

Der EuGH erinnerte aber daran, dass andere EU-Staaten sich solidarisch zeigen können, indem sie Asylverfahren freiwillig übernehmen. Deutschland macht dies bereits regelmäßig.

Außerdem, so der der Europäische Gerichtshof weiter, dürfe kein Flüchtling aufgrund der Dublin-Regeln in ein Land zurückgeschickt werden, wo ihm unmenschliche Behandlung droht, weil dort so viele Flüchtlinge ankommen. (Az.: C-490/16)

In einem dritten EuGH-Verfahren ging es ebenfalls um die Dublin-Regeln, insbesondere um die Berechnung von Fristen. Ein Flüchtling darf nämlich nur binnen drei Monaten nach Asylantragstellung in den eigentlich zuständigen Staat zurückgeschickt werden.

Deutschland verzögerte deshalb die Stellung von formellen Asylanträgen gezielt. Konkret ging es am EuGH um den Fall eines Eritreers, der im September 2015 nach Deutschland kam und erst im Juli 2016 seinen Asylantrag stellen durfte. Anschließend sollte er nach Italien zurückgeschickt werden.

Der EuGH entschied nun aber dass ein Asylantrag dann als gestellt gilt, wenn die zuständige Behörde vom Asylwunsch erfährt. Im Fall des Eritreers erfuhr das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Mitteilung der bayerischen Behörden spätestens im Januar 2016 von dessen Wunsch, Asyl zu beantragen. Er konnte deshalb Ende 2016 nicht mehr nach Italien überstellt werden. (Az.: C-670/16) Christian Rath