Rücktritt nach taz-Recherchen

Holger Arppe Der AfD-Fraktionsvize in Mecklenburg-Vorpommern beleidigte Parteikollegen und schilderte Vergewaltigungsfantasien. Nun zog er die Konsequenzen

AfD-Politiker Holger Arppe tritt aus Fraktion und Partei aus Foto: Daniel Bockwoldt/picture alliance

vonAndreas Speit
und Andrea Röpke

HAMBURG taz | Die politische Karriere des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ist beendet. Am Donnerstag gab Holger Arppe seinen Austritt aus Fraktion und Partei bekannt. Der Rücktritt folgt nach Recherchen des NDR und der taz, die Arppe gebeten hatten, zu Aussagen in Chatprotokollen Stellung zu nehmen. In den rund 12.000 Seiten umfassenden Protokollen beleidigt Arppe mutmaßlich Parteikollegen, politische Gegner und außerparlamentarische Bündnispartner heftig. Die Angriffe wechseln zwischen alltäglichen Banalitäten und brutalen Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien.

Den AfD-Bundesvize und Bundestagsspitzenkandidaten Alexander Gauland bezeichnete Arppe demnach am 23. Januar 2014 als „Arschloch“. Mit derselben Bezeichnung soll Arppe am 12. April 2015 seinen Fraktionsvorsitzenden Leif-Erik Holm betitelt haben. Wenige Monate zuvor, am 24. Januar desselben Jahres, schreibt Arppe, der seit 2014 für die AfD in Rostock in der Bürgerschaft sitzt, den Protokollen zufolge über die AfD-Europaabgeordnete und Bundesvizevorsitzende Beatrix von Storch: „Nichts gegen Frau von Storch, aber die hätte auch mal ein Mann gewesen sein können. Ich glaube, die steht auf ganz abgefahrene Sachen … die Großherzogin von Oldenburg.“

Am Dienstagmittag konfrontierten taz und NDR Arppe mit den Vorwürfen und baten um Stellungnahme bis Mittwoch. Arppe könne auch darlegen, dass die Formulierungen nicht von ihm stammen. Die Anfrage blieb unbeantwortet. Am Donnerstag sagte Arppe jedoch in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, er würde sich von den unterstellten Äußerungen „klar distanzieren“.

In Mecklenburg-Vorpommern war Arppe von Februar bis November 2014 AfD-Landessprecher. In den Chatprotokollen stechen neben den Beleidigungen gegen Parteikollegen und Bekannte vor allem Arppes mutmaßliche sexuelle Ausfälle heraus. In den Chats fantasiert Arppe demnach, wie er mit einem Freund gegen einen Bekannten vorgehen könnte: „Vielleicht sollten wir [Name] Mutter entführen, sie brutal vergewaltigen lassen von einem wilden Schimpansen und ihm [dem Bekannten] dann jeden Tag einen Finger zuschicken“, schreibt er den Protokollen zufolge.

Im Chat schwärmt er am 13. Oktober 2011 demnach, dass man „auf so ’ner Springburg […] schön ficken“ kann. „Hunderte Kinder und deren Familien stehen um die Hüpfburg herum und gucken.“ Und weiter: „Dann wollen die Kinder alle mitspielen. So’n schönes zehnjähriges Poloch ist sicher schön eng …“

Am 16. Februar 2012 schreibt Arppe laut Protokoll: „Dann besaufen wir uns hemmungslos und pissen alles voll. Anschließend laden wir uns einen Stricher ein, vergewaltigen ihn und essen danach seine Leiche auf.“

2015 verurteilte das Amtsgericht Rostock Arppe in erster Instanz zu einer Geldstrafe wegen eines volksverhetzenden Internet-Kommentars. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass ­Arppe 2010 in einem anonymen Internet-Beitrag gegen Muslime gehetzt habe. Arppes Verteidigung stritt die Urheberschaft ab.

Laut den Chatprotokollen überlegte Arppe mit Mitstreitern, wie diese Anschuldigung womöglich durch eine gezielte Diskreditierung eines Lokaljournalisten torpediert werden könnte. Am 13. Februar 2014 überlegten sie demnach, ob man im Namen des Journalisten der Ostsee-Zeitung Nutzerkonten eröffnen könne, um Hassbotschaften im Internet zu verbreiten und ihn damit zu diskreditieren.

Auch zu anderen Parteien „äußert“ sich Arppe mutmaßlich: „Da muss man einfach ausrasten und erstmal das ganze rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott schicken. Und dann das Fallbeil hoch und runter, dass die Schwarte kracht!“, schreibt er demnach am 11. August 2015 und schiebt nach: „Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. […] Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.“

Im Landesverband der AfD trat Arppe von Beginn seines Engagements an stark rechts orientiert auf. Im Landtagswahlkampf sprach sich Arppe gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) aus.

Arppe ist offenbar mit der Identitären Bewegung in Rostock verwoben

Bei einer Veranstaltung des Compact-Magazins um Jürgen Elsässer im Schweriner Amedia Plaza Hotel zum Thema „Islam – Gefahr für Europa“ lobte er laut Protokoll die IB: „Die Leute von der IB sind intelligent. Die sind klug, die sind gewitzt, die sind kreativ und genau deswegen hat das System Angst vor diesen Leuten und hetzt ihnen den Verfassungsschutz auf den Hals“, schrieb Arppe und wandte sich „ganz klar“ gegen diese „Abgrenzerei und Distanziererei“ gegenüber der IB.

Die Chat-Einträge deuten darauf hin, dass Holger Arppe eng mit der Identitären Bewegung in Rostock verwoben ist. Mit dem führenden Identitären-Aktivisten Daniel Fiß tauschte er sich über Monate hinweg zu Strategien und Veranstaltungen aus. Am 15. Oktober 2015 fragt er Fiß demnach: „Daniel könnten von Euch welche als Ordner fungieren bei unserer Demo am Samstag? Wir brauchen noch ein paar ordentliche Nazis als Freiwillige.“

Fiß, der früher bei der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv war, stellt mutmaßlich drei Leute ab. Von Fiß schwärmte Arppe bereits Monate zuvor. Am 7. Juli 2015 schrieb er laut Protokoll: „Diesen Revoluzzergeist brauchen wir! Der Fiß ist ein absolutes Muss für unsere Partei. Seine Vergangenheit interessiert mich einen Scheißdreck.“

In der eigenen Partei ist man offenbar froh, dass Holger ­Arppe nun von seinen Ämtern zurückgetreten ist und die Partei verlässt. Der AfD-Fraktions- und Landeschef Leif-Erik Holm nannte die Entscheidung von Arppe „konsequent“. Co-Landessprecher Bernhard Wildt sagte, die Entscheidung sei zwingend notwendig, sollten die im Raum stehenden Äußerungen wirklich von Arppe stammen.

Dieser begründete seinen Austritt am Donnerstag. Er wolle Schaden von Fraktion und Partei abwenden. „Das wird mich freilich nicht davon abhalten, auch in der Zukunft zum Wohle meines Vaterlandes zu arbeiten“, sagte Arrpe und erklärte, sein Landtagsmandat auch nach dem Austritt aus der Fraktion behalten zu wollen.