As schief as possible

Die funky Noise-Dadaisten Dÿse stellten im Cassiopeia eine neue EP namens „Bonzengulasch“ vor

Von Jens Uthoff

Bierdunst liegt in der Luft, es ist leicht muffig im Club, man steht dicht gedrängt – und dann gibt’s als Erstes Soundprobleme. In guten alten Jugendzentrumzeiten gingen Konzerte immer so los. Beim Auftritt von Dÿse im Cassiopeia am Mittwochabend ist Gitarrist André Dietrich erst mal mit Feedback auf dem Monitor beschäftigt. Aber scheiß drauf, Schlagzeuger und Sänger Jörg „Jari“ Rebelein legt schon mal los. Er stimmt den Anti-Gesangsunterricht-Hit „Out Of Tune“ an – eine gute Gelegenheit für das Publikum, sich warmzusingen: „Out Of ­Tuuuuune“, grölt es as schief as possible mit, um dem Refrain gerecht zu werden.

Dÿse – nur echt mit den zwei Pünktchen auf dem y – ist ein Duo aus Dresden und Berlin, das Noise-Metal-Funk-Klänge mit dadaistischen Texten verbindet und sich auf diese Weise in knapp 15 Jahren Bandgeschichte eine treue Fanbase erspielt hat. Einer größeren Öffentlichkeit wurden sie mit „Das Nation“ (2014) bekannt, nun erscheint eine neue EP namens „Bonzengulasch“. An zwei ausverkauften Abenden im Urban Spree und im Cassiopeia stellten sie das neue Werk in dieser Woche vor.

Die Soundprobleme sollen sich im Cassiopeia durch den gesamten Abend ziehen – aber spielt das wirklich eine Rolle bei einer Band wie Dÿse? Die Gitarre wummert ordentlich; vielleicht kommen die Funk-Licks, die Gitarrist Dietrich durchaus draufhat, nicht so gut rüber. Am Schlagzeug gibt’s große Unterhaltung, Rebelein muss aufpassen, dass die Drumsticks sich nicht in seinen langen Wallehaaren verfangen. Der ganze Saal singt Hits wie die Rockoper-Parodie „Sag Hans zu mir“ und „Sie ist Maschin“ mit, auch der neue Song „Bonzengulasch“ geht gut rein mit seinem eingängigen Metal-Riff zum Refrain.

Sie können Noise, Black Metal, Disco

Dÿse spielen einen Sound, den es so in Deutschland noch nicht gab. Sie können Noise, sie können Black Metal, sie können Disco, und sie können auch witzig. Auf der B-Seite der neuen EP findet sich etwa angenehm gut gelauntes Rumgelaber und Rumgespacke. Die beiden Musiker ergänzen sich sehr gut: Dietrich zitiert an der Gitarre aus der gesamten Pop- und Rockgeschichte – und Rebelein ist ein formidabler Entertainer.

Das merkt man etwa, wenn er, am Schlagzeug auf und ab wippend, den Gesang durch Lippenbewegungen so variiert, dass es wie natürlich erzeugtes Autotune klingt. Dann wieder streut er ein lässiges „Komm schon, Baby, beweg deinen Arsch“ ein, spielt Michael Jacksons „The Way You Make Me Feel“ an oder betreibt Wohnungssuche auf der Bühne. Er ziehe nämlich bald nach Berlin. Wer was weiß, möge sich doch bitte melden.

Das Publikum ist für Berliner Verhältnisse unhip – Schluffis mit Brillen und Kapuzenpullovern stehen da neben Metal-Kutten und trinkfesten Punketten. Sie alle sind einverstanden, als Schlagzeugtier Rebelein den Song „Nackenöffner“ mit einem kleinen gesanglichen „Fick die AfD“-Intermezzo versieht.

Dÿse: „Bonzengulasch“ (Cargo Records)