Kolumne Habibitus: So haram wie ein Schwein

In einem offenen Brief verteidigen über 100 prominente Französinnen ihre übergriffigen Kollegen – und machen sich damit zu Komplizinnen.

Zwei Schweine ficken

Wollen doch nur flirten, die armen Schweine Foto: dpa

Manche Beiträge innerhalb der #MeToo-Debatten zeigten überhörte Perspektiven auf, wie etwa die von Kai Cheng Thom im Guts Magazine. Sie schrieb darüber, weshalb sie ihre Täter_innen nicht outen kann – zumindest #notyet.

Nicht, solange sie diese Männer of Color Polizeigewalt oder Deportationen aussetzen würde. Gleichzeitig spuckten Leute wie Nina Proll ihren Senf ins Gewässer. In einem an Hohlheit kaum zu übertreffenden Facebook-Eintrag erklärte die Schauspielerin, noch nie mit Sexismus in Berührung gekommen zu sein.

Proll beteiligt sich damit nicht an einem ­hierarchiefreien Austausch, sondern relativiert mit ihrer verantwortungslosen Geste die Erfahrungen und Traumata anderer. Anstatt ganz laut „ich nicht“ zu brüllen, bietet es sich in Fällen wie diesem an, die Meinung auf einen Zettel zu schreiben, diesen ganz klein zu falten, anzufeuchten und ihn mit etwas Gleitgel in den Hintern zu schieben.

Diesen Tipp hätte ich auch gern dem französischen Filmstar Catherine Deneuve gegeben, die mit mehr als 100 Kolleginnen im Namen der Freiheit eine Lanze für sexuelle Belästigung bricht. Denn: Hinter sexualisierter Gewalt könnte ein missverstandener Flirtversuch stecken. Die armen Schweine! Und wenn man alles Sexuelle ganz steril und nahezu bürokratisch behandle, täte man nur religiösen Moralist_innen einen Gefallen.

Reproduktionsgefäße und Eye-Candy

Dies würde jedoch implizieren, dass jene Fundis #MeToo supporten und die körperliche Selbstbestimmung von Frauen respektieren würden. In Wahrheit sprechen sie genau diese ab und erklären ihre Körper zum Eigentum einer patriarchalen und heterosexistischen Gesellschaft, in der sie vorrangig als Reproduktionsgefäße und Eye-Candy dienen.

Anstatt ein Klima der Übergriffigkeit zu fordern und Täter in Schutz zu nehmen, hätten sich Deneuve und ihre Kolleginnen mit Überlebenden sexualisierter Gewalt solidarisieren können. Mag sein, dass sie es geil finden, wenn lüsterne Typen sie auf der Arbeit angeiern. Trotzdem haben alle Menschen das Recht darauf, auf Konsens und das Respektieren ihrer Grenzen zu bestehen – und das sollte nicht abgesprochen werden.

Doch zu einem Patriarchat gehören bekanntlich nicht nur Männer, die ihre Macht verteidigen, sondern auch Komplizinnen, die genau dieses System stützen. Auch sie sind Schweine.

Meine Frage an sie: Wie würdet ihr euch positionieren, wären die Täter nicht reiche Schauspieler – eure Freunde und Kollegen –, sondern jüdische, muslimische, geflüchtete oder Schwarze Männer? Würdet ihr für sie zumindest bedingungsloses Bleiberecht einfordern?

Oder würdet ihr trotzdem das #MeToo-Bull­shit-Bingo um Begriffe wie „Freiheit“, „Flirten“ und „Ficken wie in der Kirche“ erweitern? Vielleicht noch „Hexenjagd“ und „#NotAllMen“? Weckt mich, wenn ihr den Unterschied zwischen Sex und Sexismus gelernt habt. Oink, oink, ihr Flaschen!

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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