Nach mehr als 20 Jahren: Abgeordnete debattieren über § 219a

Aus Berlin Dinah Riese
und Hanna Voß

Auf dem Platz vor dem Reichstag ziehen sich am Donnerstagnachmittag junge und ältere Menschen zwei Kreppbandstreifen wie zum Kreuz über den Mund. „§ 219a“ steht auf den zugeklebten Mündern; der Paragraf bevormunde sie, suggerieren die Demonstrierenden.

Später diskutiert auch der Bundestag nach mehr als 20 Jahren über § 219a Strafgesetzbuch – der nicht nur das Werben für Abtreibungen verbietet, sondern auch die öffentliche Information durch Ärzt*innen darüber, dass sie welche vornehmen. Theoretisch gibt es eine Mehrheit für die Reform des Paragrafen. Die Fraktionen von Grünen, Linkspartei und SPD haben einstimmig Gesetzentwürfe beschlossen, die eine Streichung vorsehen.

Bereits im Vorfeld erklärte die SPD jedoch, ihren eigenen Antrag nicht einzubringen, viele fürchten: Sie knickt schon jetzt ein vor dem künftigen Koalitionspartner. „Die Position der SPD ist klar“, betont aber Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Der Paragraf muss gestrichen werden.“ Die Debatte im Bundestag wird hitzig geführt, ist spürbar emotional aufgeladen. Die Gesetzentwürfe, die eine Streichung fordern, ließen „einen Grundrechtsträger außer Acht: das ungeborene Kind“, sagt etwa der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth. Die AfD und auch die fraktionslose Frauke Petry argumentieren ähnlich.

Für Cornelia Möhring von der Linksfraktion ist der Paragraf dagegen „total irre“: „Ich kenne keine Frau, die sagen würde: Coole Werbung, jetzt mach ich mal ’nen Schwangerschaftsabbruch!“ Die FDP wiederum will § 219a reformieren und nur noch die grob anstößige Werbung verbieten. Um Erfolg zu haben, braucht es aber die Stimmen aller vier Fraktionen. Die Gesetzentwürfe werden jetzt in den Ausschüssen diskutiert.