die woche in berlin
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An einem Urteil des Verwaltungsgerichts scheitert das Senatsvorhaben, den Ferienwohnungsmarkt zu regulieren, in Kreuzberg gibt es Diskussionen um einen Standort für eine geplante Flüchtlingsunterkunft, die Anzahl rechter Gewalttaten ist in Berlin und Brandenburg gesunken, und es gibt neuerdings einen Leitfaden für Leihräder

Airbnb gehört enteignet

Urteil: keine Chance auf Daten von Vermietern

Beim Versuch, den ausufernden Ferienwohnungsmarkt in Berlin neu zu regulieren, ist den Regierungsfraktionen von SPD, Linken und Grünen ein entscheidender Fehler unterlaufen. Durchgerutscht ist ihnen der eigentlich zwingend notwendige neue Paragraf 1: Airbnb wird enteignet und zerschlagen.

Anders nämlich, so scheint es, ist dem Geschäftsmodell des US-Konzerns, mit Sitz im Niedrigststeuerland Irland, nicht mehr beizukommen. Mehr als 25.000 Angebote für Ferienwohnungen, überwiegend in den von Mietenexplosionen betroffenen Innenstadtbezirken, listet das Portal auf seiner Seite. Viele davon professionelle und auf Hochglanz getrimmte Apartments. Offiziell genehmigt wurde seit dem vollständigen Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes 2016 lediglich ein Bruchteil davon. Ganz offensichtlich ermöglicht Airbnb den fortlaufenden Rechtsbruch. Weil aber auch Beihilfe strafbar ist, sollte dem Unternehmen die Geschäftsgrundlage entzogen werden.

Rot-Rot-Grün hat sich auf eine Gesetzesnovelle verständigt, mit der die bisherige Handhabung fortgeführt wird. Jeder, der seine Wohnung vermieten will, braucht eine Genehmigung – in Zukunft mit individueller Registriernummer. Immerhin ist damit der Vorschlag von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vom Tisch, die das Vermieten für 60 Tage im Jahr pauschal erlauben wollte. Doch auch ohne solch ein Geschenk an die Vermieter und ihre Handlanger wird der Missbrauch weitergehen. Mögliche Strafen für die verbotene Zweckentfremdung von Wohnraum von bis zu 500.000 Euro klingen zwar drastisch, tangieren Airbnb aber nicht. Denn der Konzern bleibt in jedem Fall verschont, das Risiko tragen die Vermieter.

Doch auch für sie bleibt die Gefahr überschaubar, angesichts eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts vom Mittwoch. Demnach habe das Land Berlin zwar das Recht, zu erfahren, wer hinter einem wohl illegalen Angebot steckt, aber Airbnb Deutschland sei für das Auskunftsersuchen der falsche Ansprechpartner. Man möge sich doch bitte an die Muttergesellschaft in Irland wenden.

Hahaha: Im Airbnb Headquarter in Dublin werden sie wohl in Lachanfälle ausbrechen, wenn Berliner Bezirksamtsmitarbeiter danach fragen, wer eigentlich diese „Diana“ mit der schönen Butze im Prenzlauer Berg ist, und dabei mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz drohen. Berlin muss handeln, statt sich weiter vorführen zu lassen. Erik Peter

Kreuzberg sucht Königsweg

Unterkünfte für Geflüchtete

So richtig schlau kann man nicht werden aus dem Vorgehen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg in Sachen Ratiborstraße 14. Am Montag hat Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) endlich das Areal am Landwehrkanal besucht, das sie und ihr Bezirks­amtskollegium im vorigen Sommer als Standort für eine „Modulare Flüchtlingsunterkunft“ (MUF) vorgeschlagen haben. Das gab zuletzt mächtig Stunk, denn das Gelände steht nicht leer – auch wenn das auf Luftaufnahmen wegen des vielen Grüns so aussehen mag. In den Kleinbetrieben dort arbeiten rund 80 Menschen – und die haben nun verständlicherweise Angst vor Verdrängung.

Müsst ihr aber gar nicht, sagen Herrmann und ihr Stadtrat Florian Schmidt seit Wochen unisono. Denn, Achtung, jetzt kommt’s: Wir wollen ja gar keine MUF! Ziel sei vielmehr ein „integratives Konzept“, mit dem das Gewerbe erhalten bleibt UND Wohnen für Geflüchtete möglich wird. Oder, wie Herrmann nach ihrem Besuch in einem kurzen Schlagabtausch auf Twitter dem BVV-Abgeordneten Oliver Nöll (Linke) schrieb: „Wir wollen Wohnen für alle und keine solitären Unterbringungseinheiten.“

Nun ist durchaus nachvollziehbar, dass die Kreuzberger Bürgermeisterin keine Freundin von MUFs ist. Die Befürchtung, dass die plattenbauartigen Klötze, die Platz für 250 bis 450 Menschen bieten, eher die Ghetto-Bildung befördern als die Integration in gewachsene Nachbarschaften, hört man immer wieder. Andererseits geht es aber darum, günstigen Wohnraum für Zehntausende Menschen zu schaffen. Das geht nicht mit einem kleinen Wohnprojekt hier, einem „behutsamen“ Dachausbau dort. Von wegen Kleckern und Klotzen und so.

Außerdem: Was bringt es, dem Senat den Bau genau eines solchen Hauses anzubieten, nur um gleichzeitig der Gegenseite zu signalisieren, dass man es gar nicht will – sondern ein völlig anderes, kleines, feineres. Wenn man gemein wäre, würde man sagen, typisch Kreuzberger Grüne: Erst zustimmen, dann kritisieren – und wenn es doch so kommt, ist der Senat schuld. Aber seien wir erst mal optimistisch: Vielleicht findet Kreuzberg ja tatsächlich den Königsweg. Schön wär’s ja.Susanne Memarnia

Wenn man gemein wäre, würde man sagen, typisch Kreuzberger Grüne: Erst zustimmen, dann kritisieren – und wenn es doch so kommt, ist der Senat schuld

Susanne Memarniaüber die Standortsuche für eine „Modulare Flüchtlingsunterkunft“ in Kreuzberg

Die AfD drängt auf die Straße

Rechte Mobilisierungen in der Region

Ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, was die Opferberatungsstellen in Berlin und Brandenburg am letzten Dienstag verkündeten? In beiden Ländern ist die Zahl rechter Gewalttaten im letzten Jahr deutlich gesunken – das lässt aufatmen. Doch ebenso wichtig ist: Noch immer werden deutlich mehr solcher Straftaten begangen als in den Jahren vor 2015, das heißt vor der massiven Welle flüchtlingsfeindlicher Mobilisierungen, die eben auch mit einem deutlichen Anstieg der Gewalttaten einherging.

Unterm Strich bleibt: Es ist in den letzten drei Jahren gefährlicher geworden für Flüchtlinge und Migranten, für Homosexuelle und Juden, für politische Gegner und alle anderen, die Rechten ein Dorn im Auge sind. Der Zusammenhang zwischen rechten Straßenmobilisierungen und rechter Gewalt – aus Worten werden Taten – ist dabei augenfällig.

Dass es heute weniger rechte Kundgebungen und Demonstrationen und auch weniger rechte Gewalttaten gibt als noch 2016, wird oft mit dem Einzug der AfD in die Parlamente in Verbindung gebracht. Die Rechten, so das Argument, haben nun ihre politische Vertretung gefunden und müssen deswegen weniger selbst auf der Straße präsent sein.

Wie stark dieser Zusammenhang wirklich ist, lässt sich schwer sagen. Klar ist jedenfalls: Dass die Rechten gerade von Ausnahmen wie Cottbus abgesehen eher in den Parlamenten als auf der Straße aktiv sind, muss nicht so bleiben. Das hat mit der AfD selbst zu tun, die sich immer stärker zur Bewegungspartei entwickelt und erst kürzlich etwa ihr Kooperationsverbot mit Pegida aufgehoben hat. In Brandenburg ist diese Entwicklung schon weit vorangeschritten, in Berlin sind die Berührungsängste zumindest nach außen noch etwas stärker.

Wie stark dieser Schulterschluss zwischen Partei und Bewegung schon ist, wird sich im Mai zeigen, wenn die AfD in Berlin eine Großdemonstration veranstalten will, für die sie bundesweit mobilisiert. Auch die Berliner AfD gibt jedenfalls als interne Parole bereits aus, dass nach der Eroberung der Parlamente nun die Eroberung der Stadtgesellschaft kommen muss: in den Vereinen, in der Zivilgesellschaft, auf der Straße. Die Zahl rechter Mobilisierungen könnte also wieder zunehmen – und die Gefahr, dass auch dann wieder aus Worten Taten werden, ist groß.Malene Gürgen

(Rad-)Spagat der Senatorin

Leitfaden für Leihräder vorgestellt

Bis vor Kurzem konnte man sich nicht vorstellen, dass eine solche Idee überhaupt funktioniert: Eine Firma stellt Räder an vielen Ecken der Stadt hin, jeder kann sie ausleihen und an der nächsten Ecke wieder abstellen. Das ist praktisch, bequem, entlastet die Umwelt und den Verkehr, war aber so teuer und aufwendig, dass die Deutsche Bahn ihr Leihradsystem „Call a Bike“ 2011 nach fast zehn Jahren in dieser Form aufgab. Doch seit einigen Monaten boomt das Geschäft. Inzwischen gibt es in Berlin dafür sechs Anbieter, plus einen mit festen Stationen, weitere dürften bald folgen – und in der Verkehrsverwaltung fragt man sich offenbar, ob die Idee vielleicht zu gut ist.

Am Dienstag jedenfalls stellte sie einen „Leitfaden“ zum einheitlichen Umgang mit dem Abstellen von Leihrädern vor. Denn, so Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen): „Schwierig wird es, wenn die angebotene Zahl an Leihrädern ausufert.“ Rund 16.000 Leihdrahtesel – von denen einige tatsächlich diese Bezeichnung verdienen – gibt es inzwischen laut Schätzungen ihrer Verwaltung in Berlin, und manchmal stehen sie eben nicht ordentlich in Reih und Glied (aber höchstens vier auf einmal, mehr ist laut Leitfaden nicht erlaubt), sondern liegen wild verstreut auf Gehwegen herum. Und werden so zum Ärgernis.

Die Senatorin steht vor einem Spagat: Zum einen will sie die grundsätzlich tolle Idee aus guten Gründen weiter fördern und ausbauen. Zum anderen würde sie die Expansion gerne steuern und zum Beispiel das Angebot auch jenseits des S-Bahn-Rings erweitern, hat dafür aber wenig rechtliche Handhabe. Denn für einen Radverleih ohne Stationen braucht es keine Genehmigung, jeder kann das machen unter Einhaltung einiger Regeln.

So muss Günther auf den guten Willen aller hoffen: der Firmen, die sich um ihre Räder kümmern; der Kunden, die sie angemessen behandeln; der Fußgänger, die das neue Angebot tolerieren. Und vor allem, dass der Radmarkt sich letztlich selbst reguliert. Kommt Zeit, kommt Rad. Hoffentlich.Bert Schulz