die medienkritik
: Alles über denTod von DJ Avicii! Mit krassen Details!

Sie wollen es einfach nicht verstehen. Oder besser gesagt: Verstanden haben sie es wohl, aber sie wollen nicht entsprechend handeln. Der mögliche Suizid eines prominenten Menschen verspricht zu viel Aufmerksamkeit, als dass diverse Boulevardmedien darauf verzichten würden, das Thema lang und breit – und ziemlich verantwortungslos – breitzutreten.

Vor nicht ganz zwei Wochen starb der DJ Avicii in Oman. Der 28-Jährige, mit bürgerlichem Namen Tim Bergling, hatte eine imposante Karriere hinter sich; Hunderte Auftritten in wenigen Jahren, volle Konzerthallen und bestens verkaufte CDs. Offiziell ist über die Umstände seines Todes nach wie vor wenig bekannt. Am Dienstag berichtete das US-amerikanische Promi-Portal TMZ aber, es habe sich um Suizid gehandelt – inklusive Details über das wann, das wie, das wo.

Und Bild, Bunte, Berliner Kurier und andere stiegen sofort ein. Artikel über Artikel, Tweets, Schlagzeilen, von denen einige nicht nur den vermeintlichen Suizid, sondern auch das vermeintliche Werkzeug in die Welt hinausschreien – und am Ende des Textes wie üblich der Hinweis, dass man über Suizide ja eigentlich nicht berichte, aber. Aber die gesellschaftliche Relevanz, aber das öffentliche Interesse, aber, aber, aber. Und man ist ja aus dem Schneider, immerhin schreibt man die Nummer der Telefonseelsorge dazu.

Diese Hinweise sind bei Berichterstattung über Suizide inzwischen üblich, um dem sogenannten Werther-Effekt vorzubeugen: Nach dem Erscheinen von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ begingen viele junge Menschen nachahmend Suizid. Es gibt heute Studien dazu, dass bestimmte Formen der Berichterstattung Einfluss auf suizidgefährdete Personen haben können. Deswegen sollten Medien soweit möglich gar nicht, und wenn doch, dann mit dem nötigen Fingerspitzengefühl berichten. In einem Papier der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention heißt es, vermeiden werden sollten: Suizide, die auf der Titelseite oder als „Top-News“ angekündigt werden, Fotos der betreffenden Person, romantisierende oder idealisierende Darstellungen oder die detaillierte Beschreibung von Suizidmethode und Ort.

Genau das aber haben Bild, Bunte und weitere getan, länglich und in Großbuchstaben. Darunter dann einen Hinweis auf Hilfsangebote zu setzen, kann man nur zynisch nennen. Dinah Riese