Gastkommentar türkeistämmige Kicker: Sie sollen sich überintegrieren
Von türkeisstämmigen Fußballern wie Gündogan wird eine Art Superloyalität mit Deutschland verlangt. Bei einem Oli Kahn ist das anders.
W as ist der Prototyp eines Deutschen? Blond, blauäugig, Bierbauch? Nein, körperliche Merkmale werden überbewertet. Selbst formale Integration ist sekundär. Was zählt, ist vor allem die Kunst, sich zwischen den Meinungskorridoren des Sagbaren virtuos zu bewegen. Wer die Grenzen der politisch korrekten Sprache nicht kennt, läuft Gefahr, zur Persona non grata zu werden. Genau das wurde den Fußballern Özil und Gündoğan zum Verhängnis.
Beide sind bestens integriert, sprechen fließend Deutsch, zahlen als Profifußballer reichlich Steuern und spielen für die deutsche Nationalmannschaft. Man sollte meinen, mehr Identifikation, mehr Integration ginge nicht. Ein Irrtum!
Gündoğan und Özil hätten wissen müssen, dass ein Treffen mit Erdoğan ein Eigentor ist. Überzeugungen zu haben ist das eine, sie nach außen zu vertreten das andere. Vor allem wenn sie nicht der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung entsprechen.
Kahn wird Torwarttrainer der Saudis – ohne Imageschaden
Fehltritte dieser Art können ausgebügelt – oder gar nicht erst geahndet werden, selbst wenn jemand im politischen Abseits steht. Oliver Kahn ist, von der Öffentlichkeit unbemerkt, als Torwarttrainer in Saudi-Arabien engagiert worden. Neben dem Monarchen am Golf wirkt Erdoğan schon fast wie ein lupenreiner Demokrat.
Kahn hat jedoch keinen Imageschaden erlitten, wahrscheinlich wegen seiner Herkunft. Wer diesen Bonus qua Geburt nicht vorweisen kann, muss eben überdeutsch sein. Einerseits also formal integriert, aber auch, umso wichtiger, das eigene Handeln in jeder Hinsicht dem Mainstream anpassend. Anders formuliert: opportunistisch.
Treffen mit autokratischen Präsidenten sind demnach Tabu, die Nationalhymne zu singen ist wiederum ein Muss, zumindest wenn man Migrant ist. Und das gilt angesichts ihres negativen Images erst recht für Muslime. Gündoğan und Özil werden aus dem Fehler gelernt haben. Das Ergebnis sind glatt geschliffene Fußballspieler, ohne die berühmt-berüchtigten Ecken und Kanten, denen wir sonst so oft nachtrauern. Oliver Kahn hatte sie.
Fairplay fürs freie Netz
Auf taz.de finden Sie unabhängigen Journalismus – für Politik, Kultur, Gesellschaft und eben auch für den Sport. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Inhalte auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich leisten kann, darf gerne einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg im Gazastreifen
Ist das ein Genozid?
taz besucht Maja T. exklusiv in Haft
„Ich werde vorverurteilt“
Gefährliche Miet-E-Scooter
Der Wahnsinn muss endlich ein Ende haben
Geburtstagsgruß an J. K. Rowling
Ausschluss aus der Zaubergemeinschaft
Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen
Veröffentlichungsdatum fehlt bisher
Nach ihrer Kritik an Richterkandidatin
Wer bei anderen in der Dissertation gräbt…