Kolumne Wir retten die Welt: Wenn Schulze die Regierung sprengt

Wer sagt, dass nur die CSU ein Recht auf irre Politik hat? Wegen Rechtsbruch und Notstand müsste eigentlich die Umweltministerin austicken.

Svenja Schulze neben Hubertus Heil und Peter Altmaier

Sieht harmlos aus, hätte aber gute Gründe für einen Aufstand: Svenja Schulze Foto: dpa

Kann die SPD Umweltpolitik? „In der Theorie schon“, sagt mein Sohn, der gerade sein Freiwilliges Ökologisches Jahr abschließt und deshalb auf keiner Anti-Kohle-Demo fehlt. „Sie sollte nur vielleicht mal zeigen, dass sie Umweltpolitik auch machen wollen kann.“

Ich glaube, dass die Ökosozis unterschätzt werden. Svenja Schulze, die immer fröhliche Münsterländerin, hat ganz sicher einen Plan. Ach was, einen Masterplan für echten Klimaschutz: Mit 63 Punkten, von denen wir aber nur einen kennen: Zurückweisung aller illegaler Emissionen an der Schornsteingrenze. Ab sofort.

Kein Molekül ist illegal? Falsch. Unser CO2-Ausstoß ist ein Verstoß gegen geltendes Recht. Unsere EU-Klima- und Effizienzziele sind juristisch bindend, das Paris-Abkommen verbindliches Völkerrecht. Und während die Obergrenze für Flüchtlinge eingehalten wird, die die quartalsirre CSU irgendwie durchgesetzt hat, kümmert die rechtlich verbindliche Obergrenze für Emissionen niemanden.

Es steht nicht im Koalitionsvertrag? Egal.

Das heißt, bis dato. Denn jetzt setzt sich die Vernunft durch. Beim massenhaften illegalen Grenzübertritt von Millionen Tonnen CO2 geht es um ein reales Problem. Es bedroht Deutschland, nebenher noch den Rest der Welt, und es treibt Menschen in die Flucht. Auch zu uns.

In dieser Notlage wird Svenja Schulze handeln. Sie wird sagen: „Okay, das steht zwar nicht explizit im Koalitionsvertrag. Aber eigentlich schon. Denn wir wollen dem Klimaziel 2020 nah kommen und die Marke für 2030 auf jeden Fall erreichen. Das heißt: Wenn Europa sein Klimaziel nicht auf 60 Prozent verschärft, müssen wir uns selbst wehren. Mein Bundesland Nordrhein-Westfalen ist von dem Thema hauptsächlich betroffen. Außerdem macht mir diese grüne Partei das Leben schwer, links-ökologisch von uns darf es keine demokratische Partei geben. Die Kanzlerin hat mir gegenüber nicht mit der Richtlinienkompetenz gewedelt. Das wäre auch unüblich.“

Und sie wird ihren Koalitionspartner Alexander Dobrindt aus dem Spiegel zitieren: „Wir haben eine tiefe Vertrauenskrise in der Gesellschaft gegenüber der Politik und der Handlungsfähigkeit unseres Staates. Mittlerweile erreichen doch unsere Bürger nahezu jeden Tag Nachrichten, dass wir die Lage nicht im Griff haben und teilweise eklatante Systemfehler bestehen. Wir müssen zeigen: Wir setzen nicht nur Recht, sondern wir setzen es auch durch.“

Selbstverständlich wird die SPD, der die sozial-ökologische Wende immer das wichtigste Anliegen war, die Umweltministerin unterstützen. Wenn der EU-Gipfel am Wochenende keine Lösung bringt, wird Schulze die sofortige Schließung von 50 Kohlekraftwerken anordnen. Die Bundesumweltministerin „trägt dafür Verantwortung, an unseren (Emissionsober)Grenzen für Recht, Sicherheit und Ordnung zu sorgen“, sagt auch Dobrindt.

Sollte die Kanzlerin die forsche Umweltministerin dann entlassen und die Bundesregierung stürzen, würde Schulze zur Heldin. In einer zentralen Zukunftsfrage wird sie hartnäckig geblieben sein. Und die SPD kann endlich bundesweit zur Wahl antreten.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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