Die Frau, die dem Privaten nicht entkommt

Das Londoner Victoria and Albert Museum widmet Frida Kahlo eine Einzelausstellung. Bei „Frida Kahlo: Making Her Self Up“ geht es um Kahlos Kleider- und Lebensstil. Leider greift die Ausstellung bei diesem interessanten Thema dann doch etwas zu kurz

Fasziniert von den matriarchalen Kulturen: Frida Kahlo mit Olmec-Figurine, 1939 Foto: Nickolas Muray Photo Archives/V & A

Von Natalia Bronny

Es klingt fanatisch, dabei ist es schlichtweg wahr: Frida Kahlo ist überall. Die mexikanische Malerin ist in den letzten Jahren zur Popikone avanciert. Zusammengewachsene Augenbrauen und kunstvoll gestecktes Haar, mit Bändern oder Blumen verziert: Das ist, was Frida zu Frida macht – auf Taschen und Tassen, auf Postern, auf Shirts, als Tattoo. Welcome to Fridamania.

Und so überrascht es auch nicht, dass ein renommiertes Haus wie das Londoner Victoria and Albert Museum derzeit Frida Kahlo – geboren 1907, gestorben 1954 – eine Einzelausstellung widmet. Also einer der wenigen weltweit bekannten Malerinnen – wagen Sie den Selbstversuch auf der Suche nach weiteren Namen.

Große Werkschauen Kahlos gab es schon vielerorts, in den USA, Russland, Südkorea und in ganz Europa. In „Frida Kahlo: Making Her Self Up“ geht es allerdings nicht um die Kunst der Malerin: Es wird die Geschichte ihrer Mode erzählt, und die ihres Privatlebens. Konzipiert haben die Ausstellung Claire Wilcox und Circe Henestrosa, die beiden Kuratorinnen der Modeabteilung des V & A. Der Andrang ist riesig, Tickets sollten besser vorbestellt werden.

Als Tochter eines aus Deutschland emigrierten Fotografen stellt die Londoner Ausstellung Frida Kahlo vor; als Ehefrau des Malers Diego Rivera, und als Geliebte von Leo Trotzki; als Kommunistin, als vom New York der 1930er Jahre und von der matriarchalen Kultur der mexikanisch-indigenen Tehuantepec Begeisterte. Als Kranke, die als Kind an Polio litt. Schließlich als lebenslang von Schmerzen Gequälte, seit dem Verkehrsunfall mit 18 Jahren, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken gebohrt hatte. Man sieht Frida Kahlo in vielen Fotografien, einigen ihrer Gemälde, die immer sie selbst zeigten, und – was toll ist – in Filmaufnahmen.

Der Höhepunkt der Ausstellung ist ein aztekisch anmutender Tempel aus Glas, in dem eine ganze Mannschaft von Frida-Schaufensterpuppen die Kleider der Künstlerin präsentiert. Imposant ist diese Inszenierung, eine Art Schrein für Frida Kahlo – deren Mode wiederum der Kultur mexikanischer Indigener huldigte.

Kämme, Medizinfläschchen, Schuhe und mehr sind weiter zu bestaunen – in Schaukästen, die in kleinen Himmelbetten eingefasst eine Aura der Intimität verströmen. Genau 50 Jahre lang war Kahlos persönliches Hab und Gut nach ihrem Tod im Badezimmer der „Casa Azul“ weggesperrt, ihrem Zuhause in Mexiko-Stadt.

Im Jahr 2004 wurden ihre Besitztümer geborgen, in London sind sie zum ersten Mal außerhalb Mexikos zu sehen. Neben einem Korsett, das jenem aus dem Gemälde „die zerbrochene Säule“ gleicht, hängt im Raum voller Betten eine beeindruckende Fotografie. Sie zeigt Kahlo in ihrem Bett liegend, den Kopf in einer Schlinge: Diese soll ihren Körper strecken und so von Schmerzen befreien. Über Kahlo: ein „X“ aus Holz. Die Konstruktion ermöglichte es der Malerin, auch bettlägerig zu arbeiten.

Für die Fototapete des Raumes wurde ein anderes Bild ausgewählt: Mit offenem Haar, in weichen Wellen über ihre Schulter fallend, lächelt Frida Kahlo dem Publikum darauf zu, wandgroß, wieder in einem Bett. Verführerisch.

Frida Kahlo hat mit Geschlechterrollen und Schönheitsidealen gespielt, auf Familienporträts Anzüge getragen und sich einen Damenbart ins Gesicht gemalt. Heute ist sie Aushängeschild eines Feminismus, der sich mainstreamtauglich die Freiheit vom Perfekten und den Willen zum Femininen auf die Fahnen schreibt. Stolze Weiblichkeit, stolze Makel. Auch Madonna ist Fan. Sie selbst, im Porträt: Das ist Kahlos Werk. Kahlos Werk ist Frida. Und deshalb ist es auch legitim, ihrer Person in einer Ausstellung nahekommen zu wollen. Auch bei männlichen Künstlern wird dabei vor seelischem Leiden nicht Halt gemacht, siehe Vincent van Gogh.

Es ist auch legitim, wenn nicht sogar im Sinne einer feministischen Betrachtung von Kultur erfreulich, Mode selbstverständlich als Disziplin der schönen Künste zu behandeln, wie es das V & A macht.

50 Jahre lang war Kahlos Hab und Gut nach ihrem Tod im Badezimmer der „Casa Azul“ weggesperrt

Aber: Dass Frida Kahlo – ob nun als Malerin oder frühe Modeikone – auf ihre Zeit einwirkte, ist der Ausstellung keine Überlegung wert. Hinweise darauf muss sich das Publikum selbst erschließen, etwa durch eine Ausgabe der Modezeitschrift Vogue aus dem Jahr 1937, in der Kahlo als Fotomodel auftrat. Oder durch eine Fotografie, die die Künstlerin nackt zeigt – ausgerechnet hier, in den Bilddetails, versteckt sich der Hinweis, dass Kahlo 1938 erstmals in New York ausstellte.

Die Frau, die aus dem Privaten nicht herauskommt: das Dilemma der Geschlechter, es strahlt bis in die Gegenwart.

Der Zoom auf die Person hinter einem Werk ist Standard der kunsthistorischen Erzählung. Eine Ausstellung aber, die derart nah herantritt, dass das Publikum buchstäblich im Schlafzimmer der Künstlerin landet, muss auch wieder herauszoomen, das Werk innerhalb der Kulturgeschichte einordnen. Sie muss es einmal mehr, wenn endlich die Bühne für eine Malerin eröffnet wird.

Wer das anders sieht, wird sich am Begleitprogramm zur Ausstellung erfreuen: Stick-, Näh- und Schminkkurse bietet das Museum an. Wie eingeschlichen wirkt da ein mehrwöchiges Seminar zur Kunst von Frida Kahlo im Kontext ihrer Zeit. Zumindest in dessen Beschreibung lernen wir: „The Mexican painter Frida Kahlo is regarded as one of the great artists of the 20th century.“

Bis 4. November, V & A, London, Katalog 30 Britische Pfund