Knesset ratifiziert umstrittenes Gesetz

Nationalstaatsgesetz benachteiligt die arabische Minderheit in Israel. Arabisch ist nicht länger Amtssprache. Nicht nur arabische Abgeordnete fürchten um demokratische Werte

Ihr Zusammenleben wird jetzt noch schwieriger: Juden und Araber in der Altstadt von Jerusalem Foto: Debbie Hill/UPI Photo/picture alliance

Von Susanne Knaul

In Israel wird es künftig offiziell möglich sein, rein jüdische oder arabische Ortschaften zu gründen. Die Knesset ratifizierte in der Nacht zu Donnerstag mit 62 zu 55 Stimmen das umstrittene Nationalstaatsgesetz mit dem Ziel, den „Charakter Israels als nationales Heim des jüdischen Volkes“, zu festigen. Das Rückkehrrecht für Juden aus aller Welt, nationale Symbole, jüdische Feiertage und Hebräisch als einzige offizielle Amtssprache gehören dazu. Bislang galt auch Arabisch als Amtssprache.

„Das Nationalstaatsgesetz ist der Tiefpunkt der chronischen Krankheit, die die Demokratie plagt“, meinte der arabische Abgeordnete Ahmad Tibi. Ab sofort gäbe es zwei Gruppen von Bürgern: „Eine Gruppe der Juden, die Rechte haben, und eine andere der tolerierten Gäste“. Tibi repräsentiert die knapp 20 Prozent arabischen Staatsbürger Israels. Da es sich um ein Gesetz mit Verfassungsrang handelt, war eine absolute Mehrheit bei der Abstimmung nötig.

Noch am Samstag waren einige tausend Israelis aus Protest gegen die geplante Reform auf den Tel Aviver Yizhak-Rabin-Platz gezogen. „Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein“, hieß es auf Plakaten und „Dies ist das Heim von uns allen“. Auch Staatspräsident Reuven Rivlin distanzierte sich auf ungewöhnlich scharfe Weise von dem Gesetz, das „dem jüdischen Volk in der Welt und in Israel“ schaden könne.

Seit Wochen kontrovers diskutiert wurde vor allem der Artikel 7 des Gesetzentwurfs, der die ethnisch und religiöse Homogenität von Dörfern und Städten regelt. Dazu gehört auch der Grad der Religiosität. Konkret ändert das neue Gesetz wenig. Ethnisch und religiös homogene Ortschaften sind seit Staatsgründung Praxis in Israel. Vor allem die sozialistischen Kibutzim haben über die Jahrzehnte nicht nur keine Araber aufgenommen sondern auch keine religiösen Juden.

Umgekehrt sind zahlreiche arabische Dörfer ethnisch und religiös strikt homogen bevölkert, wobei sich der Wunsch der Juden Israels, in arabischen Ortschaften zu leben, nicht zuletzt aufgrund der sozioökonomischen Benachteiligung der Minderheit in Grenzen hält. Das neue Gesetz hebt allerdings speziell „die Entwicklung jüdischer Ortschaften“ hervor. Diese seien von „nationalem Wert“. Der Staat werde „die Gründung und Entwicklung solcher Ortschaften ermutigen und unterstützen“.

„Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein“

Slogan bei einer Protestaktion gegen das Nationalstaatsgesetz

Der Likud-Abgeordnete Amir Ohana, Befürworter des Gesetzes, sprach sich im parlamentarischen Plenum für den Erhalt des jüdische Charakters von Israel aus, denn „wir haben nicht, wie die arabische Nation, 21 Staaten, sondern nur diesen einen einzigen, kleinen Staat“. Die Gesetzesinitiative stammt nicht vom konservativen Likud, sondern kam bereits 2008 aus den Reihen der liberaleren Kadima, damals unter Führung von Zipi Livni, heute eine der schärfsten KritikerInnen. „Die Regierung steuert auf ein radikales Judentum zu, das in Stämmen lebt“, meinte Livni vor dem Votum. Das Gesetz ziele darauf ab, dass „Araber nicht mit Juden leben können“, es sei Wasser auf die Mühlen der BDS-Bewegung, die international zum Boykott von Israel und Sanktionen aufruft.

Auch das Israelische Demokratiezentrum (IDI) kritisierte das Gesetz, das Israels Unabhängigkeitserklärung und damit das Festhalten an gleichen Rechten für alle Staatsbürger, komplett ignoriere. Israel, so erinnert das IDI, gehöre zu den „wenigen Staaten der demokratischen Welt ohne eine Verfassung, die die Grundrechte festschreibt“. Dass das neue Gesetz Israel als nationales Heim des jüdischen Volkes definiert, ohne das Prinzip der Gleichberechtigung für alle Bürger festzuhalten, könnte „zu einer Unausgewogenheit zwischen dem jüdischen Staat und seinen demokratischen Werten führen“.

Jussef Dschabarin von der antizionistischen Vereinten Liste fühlt sich zum „2.- und 3.- Klasse-Bürger“ degradiert. Die 1.-Klasse-Bürger kämen in den Genuss „von staatlichen Zuwendungen und jüdischen Ortschaften – Luxusbürger“, während die arabischen Bürger, „nichts abkriegen“. Dschabarins Parteichef Aiman Auda ließ im Verlauf der Debatte eine schwarze Flagge über dem Gesetzesentwurf wehen und wandte sich vom Podium aus auf Arabisch an seine Kinder: „Dieser Staat ist nicht euer Staat. Aber dies ist unsere Heimat.“