Die Idee ist amazing

Unsere Autorin war bei ihren Reisen begeistert vom Airbnb-Konzept: nah am Alltag der Ansässigen statt im anonymen Hotel sein. Zurück im ländlichen Brandenburg, wurde sie selbst zum Host

Kann auch teuer sein: Einen kleinen Garten als Zeltplatz nahe Silicon Valley bekommt man über Airbnb für schlappe 572 US-Dollar pro Monat Foto: Agencia Contacto/Caters News/Agentur Focus

Von Anja Maier

Als ich morgens mein Fahrrad aus der Gartenecke hole, sind im Häuschen die Vorhänge noch zugezogen. Die Airbnb-Gäste schlafen. Gestern sind Zadie und Jeff angekommen, sie waren nachmittags baden und abends beim Griechen essen. Danach saßen sie leise redend bei Wein und Teelichtern vor unserem Gartenhäuschen. „Amazing!“, riefen sie mir durch die Dämmerung zu, als ich vorbeiging; an den Ästen des Pflaumenbaums trockneten ihre Badehandtücher.

Amazing fand auch ich vor drei Jahren die Grundidee von Airbnb. Mein Mann und ich hatten auf unserer Reise durch Neuseeland und Australien, sooft es ging, Airbnb-Unterkünfte gebucht. Es war die perfekte ­Möglichkeit, tatsächlich in den Alltag der Leute dort einzutauchen. Ob bei Kitesurflehrer Will, im Kinderzimmer von Louises studierendem Sohn oder in der batch, der Datsche von Anne und Frank – es war immer interessant, immer kommunikativ, fast immer sauber und stets etwas preiswerter als im Motel. Amazing eben.

Schon während der Reise beschlossen wir: Das machen wir auch, wenn wir wieder zurück in Deutschland sind. Nette Leute beherbergen und damit ein bisschen Geld verdienen – die Welt zu Gast in unserem Brandenburger Gartenhäuschen, in dem früher unsere Tochter gewohnt hatte. Wir wollten auch so freundliche Botschafter unseres Landes werden wie die ­Kiwis und die Aussies.

Heute, zwei Jahre später, weiß ich, dass Airbnb gut funktionieren kann. Dass es aber wohnungspolitisch dort die Pest ist, wo aus einer coolen Sharing-Idee ein brutaler Verdrängungswettbewerb entstanden ist.

Als wir in diesem Sommer durch Schottland reisten, haben wir erlebt, wie Airbnb die Standards versauen kann. Roni zum Beispiel, die es zwischen den vielen Bibelsprüchen und Häkelteddys in ihrem engen Reihenhaus wohl ohnehin nicht leicht hat, hatte sich eine Mininische in ihrer Küche eingerichtet, von der aus sie ihre Gäste pausenlos gut im Auge behalten konnte. Und das überaus freundliche, aber gebrechliche Seniorenpaar Ruben und Beth hatte für uns sein Wohnzimmer geräumt; die beiden brauchten dringend das Geld. Städte wie Edinburgh oder Glasgow mieden wir – die Airbnb-Preise dort waren sittenwidrig, die Bewertungen oft vernichtend.

Auch aus Berlin, Barcelona, Amsterdam, Paris oder London hört man Ungutes. Durch Airbnb wird Wohnraum dem Markt entzogen, die Folge sind unerschwingliche Mieten. Nachbarschaften lösen sich auf, Gewerbemieten steigen.

Bei uns im Berliner Umland ist das anders. In den zurückliegenden zwei Jahren waren Wachsflecken auf einer Tischdecke das unerfreulichste Vorkommnis. Ansonsten: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Freundlichkeit. Neben dem Geld – eine Nacht kostet für zwei Personen 45 Euro – ist das gegenseitige Vertrauen ein schönes Kon­trast­programm zur gereizten Gesamtstimmung in diesem Land. Man duzt sich und ist nett zueinander. Als Gastgeberin bin ich zudem über Airbnb versichert, auch gegen kurzfristige Absagen.

Im von uns konfigurierten Buchungskalender kann jeder online sehen, wann das Gartenhäuschen frei oder belegt ist. Je genauer und ausführlicher unsere Angaben zur Unterkunft, zur Anfahrt, zu Restaurants und Sehenswürdigkeiten sind, desto zufriedener sind die Gäste im Nachhinein. Und desto besser fallen dann die Bewertungen aus.

Airbnb ist dort die Pest, wo aus einer coolen Sharing-Idee ein brutaler Verdrän-gungswettbewerb entstanden ist

Die allerdings sind tricky. Sowohl Gastgeber als auch Gäste haben die Möglichkeit, eine ­öffentlich einsehbare Bewertung zu schreiben. Und eine zweite, in der man Airbnb vertraulich Informationen über das Zimmer, die Sauberkeit, den Gast oder den Gastgeber geben kann.

Als Host schaut man da irgendwann sehr genau drauf. Warum nur vier statt fünf Sterne für die Lage? Wer von all den netten Schmeichlern hat sich bei Airbnb über Mangel an Sauberkeit beschwert? Man erfährt es nicht. Stattdessen arbeitet man, vom Wettbewerb zugerichtet, an seiner Gastgeberperformance. Wenn es gut läuft (und es läuft gut), bekommt man dafür von Airbnb den Superhost-Status verliehen. Das Label si­gna­lisiert: Denen kannst du vertrauen.

Die Superhost-Erfahrung zeigt, dass meist jene Gäste quengeln, die vorab zigmal wegen Kleinigkeiten nachgefragt haben. Dürfen wir grillen? Nein, ihr seid im Wald. Können wir eure Liegestühle im Garten benutzen? Nein, der Strand ist ganz nah. Gibt es einen Herd? Lies! Die! Hausbeschreibung! Uwe, der das Fehlen von Allergikerbettzeug beanstandet hat, hatte uns offenbar mit einem Hotel verwechselt. Und die radelnde Ulrike warnte künftige Gäste vor einer inakzeptablen Mückensituation. Wie gesagt: im Wald.

Egal, derlei Ausreißer sind geringfügig und äußerst selten. Tatsächlich haben wir bekommen, was wir wollten: Die Welt ist zu Gast in unserer kleinen Gartenbutze. Gegen Mittag schrei­ben Zadie und Jeff eine Nachricht: „Just checked out. Thanx folks. It was amazing!“ Sag’ ich doch.