Rechte Verleumdung

Mehrere rechte Medien versuchen fast zeitgleich, einen NDR-Journalisten
und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als linksextrem zu diskreditieren

Sebastian Friedrich schrieb vor seiner Ausbildung beim NDR für eine linke Monats­zeitung über Rassismus und den Aufstieg der AfD Foto: Johanna Bröse

Von Anne Fromm

Es hat nur wenige Stunden gedauert, da gingen vier ähnliche Artikel auf einschlägigen rechten Nachrichtenseiten online. Die rechtspopulistische Wochenzeitung Deutschland-Kurier berichtete, der islamfeindliche Blog Politically Incorrect (PI-News), die in Russland registrierte Seite für Falschmeldungen Anonymous News und die Onlineausgabe der verschwörungsideologischen Compact. Sie alle hatten dasselbe Thema: den NDR und seinen Mitarbeiter Sebastian Friedrich.

Friedrich ist seit Herbst 2017 Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Vor seiner Ausbildung bei dem öffentlich-rechtlichen Sender arbeitete der promovierte Soziologe als Redakteur bei der linken Monatszeitung analyse und kritik (ak). Er schrieb unter anderem über Rassismus und den Aufstieg der AfD. Die rechten Medien stempeln ihn nun zu einem „Linksextremisten“ und zu einem „Hardcore-Kommunisten“ ab. Dass der NDR ihn angestellt hat, zeige wieder einmal, „wie linksversifft die ARD ist“ und wie die „Unterwanderung der GEZ-Medien durch Linksextremisten“ voranschreite.

Allein: Die Kernbehauptung der Artikel stimmt nicht. In dem Ausgangstext im Deutschland-Kurier, auf den sich die anderen Texte beziehen, heißt es, Friedrich sei Mitglied der linksextremen Gruppe Interventionistische Linke (IL), weil die ak, für die Friedrich gearbeitet hat, Teil der IL sei.

Die ak bestreitet den Vorwurf. ak-Redakteur Jan Ole Arps sagt gegenüber der taz: „Wir sind eine linke Zeitung und berichten über linke Bewegungen, also auch über die IL. Wir sind allerdings dort kein Mitglied.“

Die Interventionistische Linke ist eines der größten bundesweiten Netzwerke innerhalb der außerparlamentarischen Linken in Deutschland. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

Auf taz-Nachfrage bestreitet auch Friedrich, Mitglied der IL zu sein: „Ich war niemals Mitglied der Interventionistischen Linken. Eine kurze Mail an mich oder ein einfacher Anruf hätten genügt, um das herauszufinden. Die Autoren geben vor, es ginge ihnen um journalistische Sorgfalt. Allerdings sind sie selbst nicht in der Lage oder nicht willens, einfachste journalistische Standards einzuhalten.“

Auch die Redaktion der ak sagt, dass der Autor des Artikels im Deutschland-Kurier, Christian Jung, sie vor Erscheinen des Textes nicht kontaktiert habe. Der einzige, den Jung offenbar kontaktiert hat, ist Kai Gniffke, der Chefredakteur von „ARD-Aktuell“. Gniffke verteidigte gegenüber Jung die Arbeit von Friedrich. Auf taz-Nachfrage, warum Jung weder Friedrich noch die ak konfrontiert habe, reagierte der Chefredakteur des Deutschland-Kurier nicht.

Zu der Redaktion des „Deutschland-Kurier“ gehören mehrere ranghohe AfD-Mitglieder

Zu der Redaktion des Deutschland-Kurier gehören mehrere ranghohe AfD-Mitglieder. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gilt der Partei schon lange als Feind. Seit sich der Verfassungsschutz mit der AfD beschäftigt, thematisieren Parteimitglieder immer wieder prominent die angebliche Gefahr durch Linksextremismus.

Was Jung und die anderen Autoren auch gegen Friedrich vorbringen, ist eine Geschichte aus dem Sommer 2017. Friedrich war einer jener 32 Journalisten, dem auf dem G20-Gipfel in Hamburg die Akkreditierung entzogen wurde. Daraus wurde ein presserechtlicher Skandal. Im Nachhinein räumten mehrere Behördenvertreter, darunter der BKA-Chef und der Hamburger Polizeichef, ein, Fehler gemacht zu haben. Mehrere betroffene Journalisten, darunter auch Friedrich, reichten Klage gegen den Ausschluss ein. Die Entscheidung des Gerichts steht noch immer aus.

Die rechten Autoren sehen darin dennoch einen weiteren Beweise für Friedrichs Aktivitäten in der linksextremen Szene – wieder, ohne ihn kontaktiert oder die Hintergründe recherchiert zu haben, sagt Friedrich.

Auffällig an der Berichterstattung der rechten Webseiten ist, wie anscheinend konzertiert sie passiert: Alle vier Artikel gingen am 12. Februar online, innerhalb weniger Stunden. In den rechten Filterblasen und Gruppen der sozialen Medien verbreiteten sich die Artikel rasant. Auf Facebook wurden sie mehrfach geteilt und teilweise mit Mord- und Gewaltandrohungen gegen Friedrich kommentiert.