Verlust deutscher Staatsangehörigkeit: Ein Gesetz für die Zukunft

Die Koalition plant eine Regelung zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Sie kann nicht auf rückkehrwillige IS-Kämpfer angewandt werden.

YPG-Soldat steht auf einer freien Fläche in Syrien und blickt durch ein Fernglas

Auch die kurdische YPG, die in Syrien den IS bekämpft, wäre von der Regelung betroffen Foto: imago stock

FREIBURG taz | Wer als Doppelstaatler für eine ausländische Terrormiliz kämpft, soll künftig seine deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Auf einen entsprechenden Gesetzentwurf haben sich jetzt Innenministerium und Justizministerium geeinigt.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Regelung nur Wirkung für die Zukunft haben. Denn ein „Verlust“ der Staatsbürgerschaft darf nur an ein Verhalten geknüpft werden, das der Betroffene vermeiden könnte (indem er die Regeln beachtet). Ansonsten läge eine laut Artikel 16 Grundgesetz verbotene „Entziehung“ der Staatsbürgerschaft vor. Dass die Regelung auf aktuell rückkehrwillige IS-Kämpfer nicht anwendbar sein wird, war zwischen Innen- und Justizministerium unstrittig.

Ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Regelung nur für Doppelstaatler gelten. Denn laut Grundgesetz darf der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft nicht dazu führen, dass jemand staatenlos wird.

Geändert werden soll Paragraf 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Darin ist schon bisher der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vorgesehen, wenn jemand ohne deutsche Genehmigung in Streitkräfte eines anderen Staates eintritt, dessen Staatsbürgerschaft er auch innehat. Künftig soll Paragraf 28 auch dann gelten, wenn jemand „für eine Terrormiliz an Kampfhandlungen im Ausland teilnimmt“. Das Innenministerium rechnet laut Gesetzentwurf mit „Fallzahlen im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich“ pro Jahr.

Automatischer Verlust der Staatsbürgerschaft

Der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft würde also automatisch eintreten. Es gibt kein Ermessen der Behörden. Nur aus Gründen der Rechtssicherheit soll der Verlust durch einen behördlichen Bescheid „festgestellt“ werden. Zuständig wäre hierfür kein Gericht, sondern das jeweilige Landesinnenministerium.

Diese Feststellung ist durchaus anspruchsvoll. Es muss bewiesen werden, dass jemand etwa in Syrien an Kampfhandlungen teilgenommen hat. Der Verlust der Staatsbürgerschaft träfe also nur diejenigen, denen man auch einen Strafprozess machen könnte. Wer in Deutschland mangels Beweisen nur überwacht werden kann, würde auch seine Staatsbürgerschaft behalten und dürfte damit jederzeit einreisen.

Der Gesetzentwurf betrifft nicht jede Terrorgruppe, sondern nur den Kampf für eine „Terrormiliz“. Diese ist im Gesetzentwurf definiert als „paramilitärisch organisierter bewaffneter Verband, der das Ziel verfolgt, in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen und an deren Stelle neue staatliche oder staatsähnliche Strukturen zu errichten“. Dadurch ist nicht nur der IS erfasst, sondern etwa auch die kurdische YPG, die in Syrien mit dem Westen verbündet ist, den IS bekämpft und eigene autonome Territorien („Rojava“) aufbaut.

Welche Gruppen gelten als Terrormiliz?

Doch wer stellt fest, welche Gruppen als Terrormiliz gelten? Nach dem bisherigen Gesetzentwurf kann dies jedes Bundesland selbst entscheiden. In der Bundesregierung hofft man, dass sich die Länder schon irgendwie auf ein einheitliches Vorgehen einigen werden. Sonst könnte ein Islamist einfach seinen Wohnsitz in ein passendes anderes Land verlegen.

Die Änderung von Paragraf 28 war schon im Koalitionsvertrag vorgesehen. Den Entwurf dazu hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) im November an Justizministerin Katarina Barley (SPD) geschickt. Doch dort blieb er liegen, weil Seehofer noch zahlreiche weitere Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts vorsah, die nicht im Koalitionsvertrag stehen. Jetzt einigten sich Seehofer und Barley darauf, dass zunächst nur Seehofers Vorschlag zu den Terrormilizen umgesetzt werden soll – dieser aber unverändert.

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