Bamf-Chef kritisiert Flüchtlingsräte: Attacke gegen die Zivilgesellschaft

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, kritisiert die Flüchtlingsräte. Die lassen das nicht auf sich sitzen.

Ein Flugzeug fliegt am Flughafen über Stacheldraht hinweg.

Der Bayerische Flüchtlingsrat sagte, es sei „dringend notwendig“ vor Abschiebungen zu warnen Foto: dpa

BERLIN/MÜNCHEN epd/taz | Der Bayerische Flüchtlingsrat, Pro Asyl und Grüne weisen die Kritik des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, an dem Engagement von Flüchtlingshelfern zurück. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte der taz, angesichts dessen, dass rund die Hälfte der Asylentscheidungen des Bundesamtes zu Afghanistan von Gerichten kassiert werde, sei Kritik an der Behörde mehr als berechtigt. Wegen der Gefährdungslage in Afghanistan seien Abschiebungen dorthin unverantwortlich.

Sommer hatte der Welt am Sonntag gesagt: „Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen – ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte.“ Wenn solche Organisationen geplante Abschiebungstermine öffentlich machten, versuchten sie, „den Staat bei Abschiebungen zu behindern“, sagte der Präsident des Bundesamtes. Das Vorgehen der Flüchtlingsräte gegen Abschiebungen solle „mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden“. So etwas dürfe der Staat nicht hinnehmen.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, warf Sommer vor, die Zivilgesellschaft zu attackieren. Sie sagte der taz: „Die Flüchtlingsräte in Deutschland haben eine lange zivilgesellschaftliche Tradition. Sie unterstützen Asylsuchende dabei, ihre Rechte wahrzunehmen.“ In einem Rechtsstaat sei es ein Grundrecht, gegen ablehnende Bescheide vorzugehen. Sie betonte: „Dem zivilgesellschaftlichen Engagement sind wir zum Dank verpflichtet – unter keinen Umständen darf die ehrenamtliche Arbeit auf so unsachliche Weise abgewertet werden.“

Etwas drastischer formuliert es die integrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat. Der taz sagte sie: „Wenn die Tätigkeit von Berater*innen und Rechtsanwält*innen kriminalisiert wird, ist Rechtsschutz unmöglich. Diese Kriminalisierung der Zivilgesellschaft erinnert an die Praxis der Orbáns oder Salvinis, der neuen Rechten, in Europa.“

Die 16 Flüchtlingsräte der Bundesländer vertreten die vielen lokalen Flüchtlingsräte und Migrantenorganisationen ihrer jeweiligen Länder und sind Mitglieder von Pro Asyl, dem wichtigsten Interessenverband für Geflüchtete und abgelehnte Asylbewerber. Viele Flüchtlingsräte verbreiten im Internet und auf Flugblättern Abschiebungstermine und empfehlen Betroffenen, sich an diesen Tagen nicht an ihrer Meldeadresse aufzuhalten.

Flüchtlingsrat findet Warnungen „dringend notwendig“

Auch der Bayerische Flüchtlingsrat wies die Kritik Sommers zurück und sagte, es sei „dringend notwendig“ vor Abschiebungen etwa nach Afghanistan, in ein als „in ein von den Vereinten Nationen als Kriegsgebiet deklariertes Land“, zu warnen. Denn das bayerische Innenministerium etwa schrecke nicht davor zurück, „Familien auseinanderzureißen, Menschen aus der Ausbildung abzuschieben und Kranke in ein Land ohne medizinische Versorgungsmöglichkeiten zu schicken“.

Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats sagte außerdem, Sommer wolle mit einer „Kriminalisierung von Kirchenasylen und Abschiebewarnungen“ vor allem vom eigenen Versagen ablenken: „Nach wie vor ist die Qualität der Bamf Entscheidungen miserabel, noch immer rangiert Beschleunigung vor Qualität. Schlimme Härtefälle, wie sie vom Bamf zum Beispiel in Kirchenasylfällen verhandelt werden, werden von der Behörde selten anerkannt.“

Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern sieht vor, dass künftig derjenige bestraft werden kann, der Betroffene unmittelbar vor einer bevorstehenden Abschiebung warnt. Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl haben dies bereits kritisiert.

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