Mangelhafter Unterricht für Geflüchtete: Recht auf Schule

In niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen soll es bald richtigen Unterricht geben. Den Grünen und der FDP geht das nicht weit genug.

Schüler im Klassenzimmer

Hier hätten die Grünen gern alle geflüchteten Kinder: Klassenzimmer. Foto: dpa

HANNOVER taz | Die Grünen in Niedersachsen fordern, dass Geflüchtete Kinder, die noch in Erstaufnahmeeinrichtungen leben, regulären Schulunterricht bekommen. Die Landesregierung solle Asylsuchende zügig aus den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) auf die Kommunen verteilen, heißt es in einem Antrag der Fraktion. Außerdem sollten das Kultus- und Innenministerium „endlich ein geeignetes Bildungskonzept für Kinder und Jugendliche“ entwickeln.

Seit August 2017 können Minderjährige in EAEs an sogenannten „Interkulturelle Lernwerkstätten 2.0“ teilnehmen. Bei diesem Unterricht liegt der Schwerpunkt auf der deutschen Sprache und „interkulturellem Lernen“. Das Programm soll zur Vorbereitung auf den Regelschulunterricht dienen und dauert höchstens sechs Monate.

Schulpflichtig sind minderjährige Geflüchtete in Niedersachsen erst, wenn sie in Kommunen untergebracht sind. „Anfangs war die Interkulturelle Lernwerkstatt ausreichend“, sagt Thomas Heek vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Wohnten Familien länger in Erstaufnahmeeinrichtungen, fehle aber der reguläre Unterricht. Denn Mathe, Biologie oder Physik stehen nicht auf dem Lehrplan.

„Das Programm ersetzt keine Regelschule“, sagt auch Belit Onay, Sprecher für Migration und Flüchtlinge der Grünen. Nach Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie müsste der Zugang zum Bildungssystem spätestens drei Monate nach Asylantragsstellung gewährt werden.

175 Kinder werden nicht unterrichtet

Nach dem Asylgesetz sollen Geflüchtete höchstens sechs Monate lang in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ müssen aber dort bleiben, bis das Bundesamt über ihren Asylantrag entscheidet. Das betrifft vor allem Geflüchtete aus den Westbalkanstaaten. Sie leben oft länger als sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung.

Anfang 2019 waren in Niedersachsen 175 Kinder aus „sicheren Herkunftsländern“ vom Schulbesuch ausgeschlossen. Das geht aus einer FDP-Anfrage an die Landesregierung hervor. 27 Kinder besuchten seit mehr als sechs Monaten, und 14 seit über einem Jahr keine Schule mehr. „Es ist ein Witz zu behaupten, 22 Monate seien kein gewöhnlicher Aufenthalt, und damit ein Kind nicht schulpflichtig“, sagt Björn Försterling, FDP-Sprecher für Bildung.

Aber auch der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sieht das Problem: „Wir müssen uns den veränderten Herausforderungen stellen.“ Ab dem nächsten Schuljahr soll es deshalb in den EAEs Schulunterricht geben. Die Kinder kommen allerdings nicht in reguläre Schulen. Die Lehrer kommen zu ihnen: Es würden dafür weiterhin Regelschullehrer abgeordnet, sagt Tonne.

Grüne und FDP sehen darin zumindest eine Verbesserung. „Allerdings könnte man die Menschen auch direkt auf die Kommunen verteilen“, sagt Onay. „Wir sind vorsichtig, ob das in die richtige Richtung geht“, sagt auch Försterling. Dass der jetzige Unterricht in den EAEs als Schulbildung anerkannt werde, komme nicht in Frage.

„Wir müssen Kindern Zugang zum Schulsystem und die Möglichkeit auf einen Abschluss geben“, sagt Thomas Heek vom Flüchtlingsrat. „Die Schulpflicht greift erst ab der Kommune, aber es braucht ein Schulrecht ab dem ersten Tag.“

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