EU-Grenze wird mit allen Mitteln versperrt

Tränengas, Barrikaden, Einschüchterung, Festnahmen: Niemand soll durch die Zäune. Maskierte Bürgerwehren in Griechenland greifen Flüchtlinge, NGOs und Journalisten an

EU-Außengrenze: Flüchtlinge treffen auf griechische Soldaten am Grenzfluss Evros Foto: Emrah Gurel/ap

Von Christian Jakob

An der türkisch-griechischen Landgrenze versuchen weiterhin Tausende Menschen, in die EU zu gelangen. In größeren Gruppen bewegten sich Menschen auf die Grenzlinie zu und schwenkten weiße Fahnen. Die griechische Polizei setzte Tränengas ein, um sie zurückzudrängen. Bauern parkten Traktoren parallel zur Grenze, um Flüchtlinge abzuwehren. Nach Angaben der griechischen Regierung gelang es lediglich einigen Dutzend Menschen, durch die Grenzzäune zu schlüpfen oder durch den Grenzfluss Evros zu waten. Die griechischen Behörden sagten, sie hätten 45 Personen festgenommen, die meisten aus Afghanistan, Pakistan, Marokko und Bangladesch.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte an, er werde die Grenzen weiter offen halten. Es sei nun an der EU, ihren „Teil der Last“ zu tragen. „Hunderttausende“ Flüchtlinge hätten sich seit der Grenzöffnung auf den Weg Richtung Europa gemacht, „bald werden es Millionen sein“, so Erdoğan. Diese Zahlen scheinen stark übertrieben zu sein.

Verschiedene Medien, darunter die BBC, berichteten, dass am Montag der aus Aleppo stammende 24-jährige Ahmed Abu Emad von griechischen Grenzpolizisten in den Hals geschossen und getötet wurde. Eine offizielle Bestätigung gibt es für den Vorfall aber nicht. Die griechische Regierung sprach von „türkischer Propaganda“. Offiziell bestätigt hingegen ist der Tod eines Kindes in der Ägäis. Es starb, als ein Boot mit 48 Menschen auf dem Weg von der türkischen Küste zur griechischen Insel Lesbos kenterte.

Auch auf den Inseln war die Lage am Montag höchst angespannt. Flüchtlinge im Lager Moria auf Lesbos wurden mit Tränengas beschossen. Ärzte und andere Helfer von NGOs hatten sich Berichten zufolge wegen Angriffen durch rechte Bürgerwehren am Wochenende zurückgezogen. Die Bürgerwehren blockierten am Montag weiter die Zufahrtsstraße zum Lager, damit keine neuen MigrantInnen dorthin gebracht werden können. Deutsche Journalisten berichteten, am Montag auf Lesbos von Maskierten mit Stöcken und Steinen beworfen worden zu sein.

Auch das Berliner NGO-Schiff „Mare Liberum“, das in der Ägäis die Menschenrechtssituation für Geflüchtete beobachtet, wurde nach eigenen Angaben von Rechtsextremen attackiert: „Unsere Besatzung wurde von einem Mob von Faschisten angegriffen, während die #MARELIBERUM in Skala Loutron, #Lesvos, angedockt war. Sie schrien, bedrohten uns und schütteten Benzin auf unser Deck! “

Die Flüchtenden stammen aus Afghanistan, Pakistan, Marokko und Bangladesch

Am Sonntag hatte die griechische Regierung angekündigt, bis auf Weiteres keine Asylanträge mehr anzunehmen. Am Montag hieß es, die Maßnahmen werde beendet, sobald „Normalität und Ordnung“ zurückkehren. Bis dahin werde jeder, der illegal ins Land komme, verhaftet und in Abschiebelagern interniert.

Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR hatte am Montag erklärt, dass zwar jedes Land das Recht habe, seine Grenzen zu sichern. Doch weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch das EU-Flüchtlingsrecht „bieten eine rechtliche Grundlage für die Aussetzung der Aufnahme von Asylanträgen“.

Frontex-Direktor Fabrice Leggeri sagte am Montag in Warschau, er habe auf Antrag Griechenlands eine „rasche Intervention auf den Weg gebracht“. Für solche Fälle habe die EU-Grenzschutzbehörde einen Reservepool von bis zu 1.500 Grenzschützern, die von den Mitgliedstaaten gestellt werden. Einsatzmaterial wie Fahrzeuge, Schiffe sowie Überwachungstechnik soll binnen zehn Tagen vor Ort sein. Die Frontex-Beamten würden dann grundsätzlich unter dem Kommando Griechenlands stehen.