„Jüdische Museen sind keineHolocaust-Museen“

Wie jüdisch muss ein jüdisches Museum in Deutschland sein? Darf es sich zum Nahostkonflikt positionieren? Wie soll man es mit BDS halten? Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, und Cilly Kugelmann, ehemalige Programmdirektorin des Berliner Jüdischen Museums, streiten sich darüber

Streitgespräch in der Frankfurter Judengasse: Mirjam Wenzel (li.), Direktorin des Jüdischen Museums in Frankfurt, und Cilly Kugelmann vom Berliner Jüdischen Museum

Von Stefan Reinecke
und Dinah Riese
(Gespräch) und Felix Schmitt (Fotos)

taz am wochenende: Frau Wenzel, Frau Kugelmann, der Vorsitzende des Zentralrats der 
Juden, Josef Schuster, hat kürzlich gesagt, jüdische Museen sollen 
„jüdische Kultur und Tradition“ vermitteln. Ist das eine schlüssige
 Definition?


Mirjam Wenzel: Ja und nein. Jüdische Museen müssen in einer diversen
 Gesellschaft Zugänge eröffnen, die über jüdische Traditions- und
 Kulturvermittlung hinausweisen. Trotzdem stehen hier im Jüdischen 
Museum Frankfurt jüdische Erfahrungen im Zentrum. Frankfurt hat eine
 fast 900-jährige, durch die NS-Zeit und zwei weitere Pogrome 
unterbrochene jüdische Geschichte. Diese Perspektive machen wir wieder
 sichtbar.


Cilly Kugelmann: Meint man damit, Juden machen ein jüdisches Museum für 
Juden? Oder meint man – wie ich – eine bestimmte Haltung, eine jüdische
 Perspektive auf das Leben, zur politischen und gesellschaftlichen 
Situation? Man muss sich erinnern: Dieses Museum hier in Frankfurt wurde
 am 9. November 1988 im Beisein von Helmut Kohl eröffnet. Das war eine 
Generation, die den Krieg noch erlebt hat. Jüdische Museen waren eine
 Art kulturelle Wiedergutmachung. Die Enkelgeneration heute stellt ganz 
andere Fragen.

Müssen jüdische Museen den Holocaust ins Zentrum stellen?


Wenzel: Jüdische Museen sind keine Holocaust-Museen. Aber alles, was wir
 vermitteln, ist vom Holocaust gezeichnet. Die einstige materielle
 jüdische Kultur in Europa wurde zerstört. Es existieren hier und heute
 keine großen Sammlungen jüdischer Kunst- und Kulturgüter mehr, die in 
jüdischen Museen bewahrt werden müssten. Insofern ist der
 Zivilisationsbruch Teil unserer Erzählungen, aber nicht deren Endpunkt.

Kugelmann: Ohne Holocaust gäbe es in Deutschland keine jüdischen
 Museen. Es gäbe vielleicht provinzielle Einrichtungen, aber keine
 staatlich finanzierten. Ich stimme Mirjam zu: Wir sind keine
 Holocaust-Museen. Das kann nicht unser ausschließliches Thema sein. Als
 das Jüdische Museum in Berlin 2001 eröffnet wurde, war genau das die 
Erwartung: ein Holocaust-Museum. Das JMB hat eine große Plakatkampagne 
gemacht: „Nicht das, was Sie erwarten.“


Muss sich das Jüdische Museum Berlin 2020 von dem Anspruch
 emanzipieren, den Holocaust ins Zentrum zu rücken? 


Kugelmann: Nein, das gehört zu unseren Kernaufgaben, so wie Chanukka- 
und Schabbatleuchter auszustellen. Die Frage ist: wie. Es ist uns noch 
nicht gelungen, den Kern des Holocausts herauszuarbeiten und in eine 
historische Perspektive zu integrieren, ohne die Vernichtung 
teleologisch als Ziel zu erzählen.


Einverstanden, Frau Wenzel?


Wenzel: Ja – mit einer Ergänzung. Jüdische Museen müssen die Folgen des
 Holocausts wieder stärker in den Blick nehmen. Wir erleben den Aufschwung eines nationalchauvinistischen Geschichtsverständnisses, und jemand wie 
der AfD-Politiker Höcke will eine geschichtspolitische Kehrtwendung um 180
 Grad oder, wie Herr Gauland, die NS-Zeit als Vogelschiss im 
Verhältnis zur Nationalgeschichte betrachten. Das gab es vor fünf Jahren 
noch nicht. Auf diesen massiven Angriff auf das jüdische Gedächtnis 
müssen wir reagieren.


Machen sich jüdische Museen damit nicht indirekt abhängig von der Agenda
 der AfD?


Wenzel: Nein, wir müssen eine Antwort auf die Gegenwart finden. Die Politisierung jüdischer Museen ist kein deutsches Phänomen. Illiberale
 Demokratien sind international auf dem Vormarsch und jüdische Museen 
werden vielerorts Schauplatz hochaufgeladener Auseinandersetzungen. In
 Warschau hat der Direktor des Jüdischen Museums seinen Job verloren,
 weil er der Regierung politisch nicht passte. In London ist die 
erfolgreiche Leiterin des dortigen Jüdischen Museums nach einer 
ausgezeichneten, kontroversen Ausstellung zurückgetreten. Jüdische 
Museen sind in ganz Europa unter Druck geraten.


Kugelmann: In Deutschland kommt die affektive Aufladung durch den
 Antisemitismus hinzu. Antisemitismus ist in Deutschland mit der 
Massenvernichtung an den europäischen Juden verklammert. Es gibt keinen 
„harmlosen Antisemitismus“. Das berührt den Blick auf Flüchtlinge, die 
nach Deutschland kommen, die Angst vor einem muslimischen Antisemitismus
 und das jüdische Verhältnis zu Israel. Daher rührt von jüdischer Seite
 die Schärfe. Verblüffend ist, dass auf deutscher Seite eine Art
 Anti-Antisemitismus entstanden ist.

Sie meinen die „Antideutschen“?

Kugelmann: Ja, und der spiegelt unbewusst den Antisemitismus wider. Antisemiten sehen 
überall Juden, Anti-Antisemiten sehen überall Antisemiten. Das ist
 faszinierend, und ein bisschen beängstigend.


Beim Streit um das Jüdische Museum Berlin, der zum Rücktritt des
 Direktors Peter Schäfer führte, spielte der Vorwurf eine Schlüsselrolle,
 die dortige Akademie habe Antisemiten, nämlich Unterstützer der Israel- Boykott-Bewegung BDS, eingeladen.


Kugelmann: Es gab ein Mobbing gegen das Jüdische Museum.


War es Mobbing, Frau Wenzel?


Wenzel: Eine Kampagne. Es war nicht mehr möglich, differenzierte 
Argumente vorzutragen. Es herrschte ein diffamierender Ton mit
 Angriffen auf einzelne Personen.


Auf die frühere Leiterin der Akademieprogramme, Yasemin Shooman?


Wenzel: Zum Beispiel.


Kugelmann: Und auf Peter Schäfer. Es war entsetzlich. Das Museum
 recherchiert jetzt bei jedem, der eingeladen wird, ob er irgendwann 
irgendwas mit BDS unterschrieben hat. Das ist die Praxis des JMB. Ich
 habe diese Kultur des Verdachts McCarthyismus genannt. Sa’ed Atshan, der 
eine Professur in den USA hat und in Berlin über Homosexualität in
 Palästina reden sollte, wurde wieder ausgeladen, weil er mal was für BDS
 unterschrieben hatte.


Frau Wenzel, Sie gucken skeptisch?


Wenzel: Nein, der Verdacht, dass das Jüdische Museum Berlin sich zu einem Ort der BDS-Bewegung entwickelt, ist abwegig.


Welche Rolle hat der Anti-BDS-Beschluss des Bundestags gespielt?


Kugelmann: Der BDS-Beschluss des Bundestags war nicht Ausdruck einer
 intensiven Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt, sondern des
 Wunsches, alles richtig zu machen. Dieser Wunsch wird durch die AfD noch
 verstärkt, so entsteht eine kuriose Überempfindlichkeit. Man will alles 
richtig machen, und macht sehr viel falsch. Vor diesem Beschluss wusste
 in Deutschland ja kaum jemand, dass BDS überhaupt existiert. In den USA 
und in England war das anders. Dort ist BDS im akademischen Leben ein
 Problem, weil BDSler Druck auf jüdische und israelische Professoren und
 Studenten ausüben. Zudem sind viele israelische Akademiker in den USA
 Anhänger von BDS.


Wenzel: Fakt ist, dass BDS in Deutschland in der Vergangenheit einzelne
 Veranstaltungen im kulturellen Bereich gekapert hat. Das ist ein
 Problem. In Frankreich hat das Parlament übrigens einen noch 
weitergehenden Anti-BDS-Beschluss gefasst.


Ist BDS antisemitisch?


Kugelmann: Es ist ein Forum unterschiedlicher Gruppen, das 
antisemitische und nicht­antisemitische umfasst. Im palästinensischen
 Kontext ist es zuerst einmal eine Bewegung, die auf Gewalt verzichtet.
 Jetzt erscheint BDS einzig und allein als Bewegung, die Israel
 vernichten will. Diese Auffassung ist zu eng.


Wenzel: Das sehe ich anders. BDS ist eine Boykottbewegung, die auf die
 Existenzberechtigung des jüdischen Staates Israel zielt.


Kugelmann: Es wäre die erste Boykottbewegung, die einen Staat
 vernichtet. Dieser Boykott ist eine stumpfe Waffe. Er schadet Israel
 nicht – dafür hat er üble Auswirkung im akademischen und kulturellen Bereich.
 Denn er trifft israelische Akademiker und Künstler, die oft gerade nicht
 die israelische Mainstreamperspektive einnehmen.


Wenzel: Es gibt eine schräge Verschiebung in der Debatte über das Jüdische
 Museum Berlin Richtung BDS – die wir übrigens hier gerade wiederholen.
 Das JMB ist ein international anerkanntes, relevantes Museum. Doch diese
 Tatsache verschwindet zunehmend in der öffentlichen Wahrnehmung wegen
 eines Tweets mit BDS-Bezug und der Einladung von umstrittenen
 Referenten. Diese Debatte ist Teil eines überhitzten Diskurses, der von
 identitätspolitischen Forderungen beherrscht wird. Die Räume für
 jüdische Museen werden enger. Und zwar nicht nur in Deutschland.


Der Zentralrat hat kritisiert, dass das Jüdische Museum Berlin nicht 
mehr jüdisch sei. Ist das JMB ein jüdischer Ort?


Am Streitgespräch beteiligt:

Mirjam Wenzel

Die Literaturwissenschaftlerin wurde 1972 in Frankfurt geboren. Ihre Dissertation befasste sich mit dem deutschsprachigen Holocaust-Diskurs der 1960er Jahre. Von 2007 bis 2015 war sie Abteilungsleiterin im Jüdischen Museum Berlin. Seit 2016 ist sie Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt am Main.

Cilly Kugelmann

Die deutsch-israelische Historikerin wurde 1947 in Frankfurt geboren. 1966 wanderte sie nach Israel aus und kehrte 1971 zurück. Sie arbeitete von 1986 bis 2000 im Jüdischen Museum Frankfurt am Main und war von 2002 bis 2017 Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin. Derzeit betreut sie dort die neue Dauerausstellung, die im Mai eröffnet werden sollte.

Kugelmann: Es gibt den Wunsch, dass JMB solle wieder ein jüdischer Ort
 werden. Was soll das bedeuten? Für mich gibt es nur drei jüdische Orte: eine 
Synagoge, ein Ritualbad und einen Friedhof. Ein Museum ist etwas anderes.


Wenzel: Das sehe ich nicht so. Wir sind hier im Museum Judengasse in
 Frankfurt. An einem jüdischen Ort. Hier stand das erste jüdische Ghetto
 in Europa, die Fundamente von fünf Häusern sind erhalten geblieben.
 Nebenan liegt der jüdische Friedhof, der zweitälteste nördlich der Alpen.
 Dieses Museum präsentiert die Reste der Judengasse. Unsere Aufgabe ist 
es, die Geschichte dieses Ortes im Gedächtnis zu bewahren. Das ist ein
 grundlegender Unterschied zum Jüdischen Museum Berlin. Der Libeskindbau
 ist ein hochsymbolisches Gebäude an einem Ort, der wenig mit jüdischer
 Geschichte zu tun hat.


Kugelmann: Die jüdischen Museen, die nach 1945 gebaut wurden, sind fast
 alle mit Originalschauplätzen verbunden, die einen Moment historischer
 Authentizität herstellen sollen. Aber das ändert nichts daran, dass Museen extrem artifizielle Institutionen sind. Hier, wo wir jetzt reden,
 war das südliche Ende der Frankfurter Judengasse. Die Ausgrabungen der
 Kellergewölbe im Museum thematisieren mehr als andere Museen den
 Originalschauplatz. Aber dies ist trotzdem ein artifizieller Ort. So
 wie es auch jede Konzentrationslager-Gedenkstätte ist. In ­Auschwitz ist 
in der Gedenkstätte wahrscheinlich kein einziger originärer Stein mehr.
 Die Haare, die Schuhe, die Brillen werden konserviert. Konservierung
 heißt: Es ist nicht mehr das Original.


Ist die Frage, ob ein jüdisches Museum ein jüdischer Ort ist, mehr als 
Semantik?

Kugelmann: Ja. Ist meine Wohnung ein jüdischer Ort? Nein. Ein jüdischer 
Ort ist ein sakrosankter Ort. Das ist mehr als Semantik. Denn wenn ein
 jüdisches Museum in gewisser Weise sakrosankt ist, schränkt das die
 künstlerischen Möglichkeiten ein. Ein jüdisches Museum als jüdischen Ort 
zu definieren, hat Konsequenzen, die ich ablehne. Ich will in der
 Gestaltung der Ausstellungen frei sein. Wir sind kein Ersatz für eine
 Synagogengemeinde.


Wenzel: Für mich ist „jüdischer Ort“ nicht religiös konnotiert, sondern
 kulturell. Wir haben vor einiger Zeit unsere Besucherinnen und Besucher 
gefragt, was für sie jüdische Orte in Frankfurt sind. Dabei kam eine Karte 
der Gastronomie in Frankfurt heraus. Schwerpunkt Humus. Cilly,
 sollen jüdische Museen nicht Orte sein, mit denen sich Jüdinnen und 
Juden identifizieren?


Kugelmann: Auf jeden Fall. Wir haben eine Ausstellung über Chanukka und
 Weihnachten gemacht, die wir Weihnukka genannt haben. Da kamen sehr
 viele jüdische Besucher. Natürlich soll ein jüdisches Museum auch ein
 Ort sein, der für Juden interessant ist.


Auch.

Kugelmann: Ja, auch. Wir wollen jüdische Besucher, aber nicht nur.
 Das 
ist trivial. Der weiße Elefant im Raum lautet: Wenn jüdische Museen Orte für Juden sind – was darf nicht mehr
 thematisiert werden?


Frau Kugelmann, Sie haben die „Welcome to Jersusalem“-Ausstellung im JMB 
kuratiert. Haben Sie erwartet, dass es so scharfe Reaktionen geben wird?

Kugelmann: Es war klar, dass sie nicht jedem gefallen würde. Wäre es so 
gewesen, hätte ich etwas falsch gemacht. Wenn etwas allen gefällt, lohnt
 es sich nicht, morgens dafür aufzustehen.


In dem Non-Paper, das der israelische Ministerpräsident Netanyahu
 Kanzlerin Merkel übergeben hat, wurde die Jerusalem-Ausstellung als
 Beispiel für ungehörige Kritik an Israel erwähnt. Waren Sie geschmeichelt?


Kugelmann: Ja.


Frau Wenzel, würden Sie eine Ausstellung wie „Welcome to Jerusalem“ machen?


Wenzel: Nein.


Warum nicht?


Wenzel: Die Ausstellung hat die Perspektive verschoben. „Wel­come to ­
Jerusalem“ hieß: Man ­betrat das Territorium von Jerusalem. Meiner 
Ansicht nach sollten jüdische Museen vermitteln, welchen Bezug auf 
Israel Jüdinnen und Juden hier haben. Wir sind nun einmal Museen in der Diaspora, und wir müssen die Diasporasituation reflektieren und nicht
 die Konflikte in Israel.


Aus Sorge wegen des Shit­storms, den so eine Ausstellung jederzeit auslösen kann?


Wenzel: Ganz grundsätzlich: Es gibt ein mediales Dreieck, durch das 
Jüdinnen und Juden in Deutschland wahrgenommen werden: Antisemitismus,
 Shoah, Israel. Unsere Aufgabe ist es, jüdisches Leben differenzierter
 darzustellen, und nicht den Nahostkonflikt zu bearbeiten. Da haben wir 
einen Dissens.


Kugelmann: Offensichtlich. Jerusalem gehört essenziell zum Judentum. Es 
ist dessen Ursprung. „Wenn ich dein vergesse, Jerusalem, verdorre meine
 Rechte“ steht in der Bibel. Die aschkenasischen jüdischen Gemeinden
 wurden Jerusalem am Main, Jerusalem am Rhein, Jerusalem an der Mosel
 genannt.


Wenzel: Aber darum ging die Ausstellung nicht.


Kugelmann: Auch. Wir haben Jerusalem als vielschichtigen Ort von drei
 Religionen und den Ort der Instrumentalisierung von drei Religionen
 thematisiert. Es wäre verlogen gewesen, Palästina wegzulassen. Und wer 
soll dieses Thema in Angriff nehmen, wenn nicht ein jüdisches Museum?
 Die Gründung des Staates Israel hat das jüdische Selbstbewusstsein 
radikal verändert, gerade für Juden in Deutschland.


Wenzel: Jerusalem ist als imaginärer Ort Bestandteil jüdischer Kultur in
 der Diaspora. Diese Perspektive hat die Ausstellung nur gestreift.


„Antisemiten sehen 
überall Juden, Anti-Antisemiten sehen überall Antisemiten. Das ist
 faszinierend, und ein bisschen beängstigend“

Cilly Kugelmann

Kugelmann: Die Beziehung ist nicht nur imaginär. Es gibt eine Straße in 
Tel Aviv, die im Volksmund Frankfurter Straße heißt, weil viele 
Immobilien Mitgliedern der Frankfurter Jüdischen Gemeinde gehören.


Wenzel:Du bist ja hier in Frankfurt aufgewachsen. Wenn Ignatz Bubis
 gefragt wurde: „Was macht Ihr Staat gerade?“, dann hat er geantwortet: „Ich 
bin deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ …


Kugelmann: Wo ist Bubis begraben? In Tel Aviv. Wie viele aus der
 Generation meiner Eltern. Das bedeutet doch etwas.

Frau Wenzel, gehört der Nahostkonflikt nicht in ein jüdisches Museum in 
Deutschland?


Wenzel: So würde ich das nicht sagen. Denn wir haben mit den
 Auswirkungen des Konflikts zu tun. Aber er selbst sollte nicht 
thematischer Schwerpunkt unserer Arbeit sein.

Kugelmann: Mirjam, das Jüdische Museum Berlin hat in 20 Jahren eine Ausstellung zu Jerusalem gemacht.

Muss ein jüdisches Museum loyal gegenüber Israel sein?

Wenzel: Nein, aber jüdische Museen in Deutschland sind nicht neutral, was
 Israel angeht. Sie sind an die jüdische Perspektive auf das Land und dessen Geschichte gebunden.


Müssen jüdische Museen provozieren?


Wenzel: Das ist nicht meine Wortwahl. Unsere Aufgabe ist es, jüdische 
Perspektiven auf Gegenwart und auf Geschichte zu entfalten. Auch wo
 es wehtut, irritiert, verunsichert. Es gibt keine andere Museumsgattung
 in Deutschland, die diesen Auftrag hat.

Es gab viel Streit um das Jüdische Museum Berlin. Demnächst kommt mit Hetty Berg die neue
 Direktorin. Wird sie genug Spielräume haben?


Kugelmann: Das ist schwer vorauszusagen. Sie kommt von außen und ist 
nicht Teil des Konflikts gewesen. Das ist ein Vorteil. Sie wird
 vermutlich vorsichtig vorgehen, aber hoffentlich nicht auf Kosten von
 Fantasie und Leidenschaft. Kunst und Kultur müssen ja Dinge infrage
 stellen. Wozu werden wir sonst bezahlt?


Stefan Reinecke, taz-Parlamentsredakteur, war fasziniert von der „Welcome to Jerusalem“-Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin.

Dinah Riese, taz-Inlandsredakteurin, war zuletzt im Jüdischen Museum Berlin, um Chanukkakerzen zu kaufen.

Felix Schmitt arbeitet als freier Fotograf in Frankfurt am Main.