Kulturprotest in Frankreich: In Paris bleibt alles „flou“

Die Kulturnation Frankreich vergisst bei Covid die Sorge um die Kultur: Catherine Deneuve und Isabelle Huppert sind empört.

Kino in Paris in Pandemiezeiten Foto: Gonzalo Fuentes/reuters

Mehr als hundert Kulturschaffende richten in Le Monde einen dringenden Appell an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, weil die französische Regierung nichts Konkretes angekündigt hat, um das Überleben des öffentlichen und privaten Kulturbetriebs während und nach der Lockdown-Zwangspause zu sichern.

„Kunst und Kultur wurden vergessen, beheben Sie dieses Versäumnis!“, steht über dieser Petition, in der in scharfer und dramatischer Form beklagt wird, dass der zuständige Minister außer Leerformeln so gut wie nichts versprochen habe. Unter den rund hundert Unterzeichneten sind viele Filmstars wie Isabelle Adjani, Catherine Deneuve und Isabelle Huppert.

Die Situation ist dramatisch: Die Konzert- und Kinosäle, Theater, Ballett- und Opernhäuser und die renommierten Kunstmuseen bleiben auch nach dem 11. Mai geschlossen, wenn Frankreich schrittweise die Ausgangsbeschränkungen lockert. Die bekannten Sommerfestivals sind abgesagt oder auf viel später verschoben worden.

Nur kleine lokale Museen sowie Biblio- und Mediatheken dürfen wieder öffnen, wenn sie die Sicherheitsauflagen respektieren. Wie so vieles in der Covid-Regierungspolitik bleibt es flou, wie die Kulturschaffenden bis zur eventuellen rentrée im Herbst überleben sollen.

Wenig Hoffnung auf Normalisierung

Der Direktor der Pariser Oper, Stéphane Lissner, ist auch für die öffentlichen Kultureinrichtungen pessimistisch. „Die gegenwärtige Krise wirft ein grausames Schlaglicht auf die Lage des öffentlichen Sektors. Sie wirkt weniger dramatisch als die im Gesundheitswesen, ist für die Kultur aber dennoch verheerend.“ Die Kulturunternehmen in Frankreich gehören mit ihren rund 700.000 Arbeitsplätzen zu den Letzten, die auf eine Normalisierung hoffen dürfen. Dennoch scheint das heute keine Priorität zu haben.

Am 18. März wurde ein Hilfsfonds mit (geradezu lächerlich geringen) 22 Millionen Euro bereitgestellt. Wenn es um die Rettung von Air France oder Renault geht, zögert der Staat nicht, diesen mit 7 Milliarden und 5 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Ex-Kulturminister Jack Lang hat bisher keine Antwort auf seinen Vorschlag erhalten, von der aktuellen Erhöhung des Staatshaushalts um 110 Milliarden Euro je ein Prozent für die Kultur und ein Prozent für die Kunsterziehung in den Schulen zu einzusetzen.

Natürlich können die Theater- oder Kinobesitzer wie andere Arbeitgeber staatliche Überbrückungskredite und für die Kurzarbeit ihrer Festangestellten öffentliche Unterstützung bekommen, viele aber bangen um die Existenz, wenn die Pause bis September dauert. Ganz persönlich trifft die Covid-19-Krise die intermittents, die GelegenheitsarbeiterInnen der Kultur, die sonst im Vergleich zu anderen Staaten in Frankreich bei Arbeitslosigkeit recht gut gesichert sind.

Im Onlinemagazin Médiapart wird die Zahlung eines Überlebenseinkommens von 1.000 Euro monatlich bis zum Ende der Zwangspause angeregt. Wer kann oder will sich Paris ohne seine kleinen Theater, Jazzklubs und Filmproduktionen vorstellen?

Was wird aus den 5.000 Kinosälen?

Frankreich produziert nicht nur viel (frankophone) Musik und Filme, die rund 5.000 Kinosäle haben auch einen riesigen Zulauf von Zuschauern (im Rekordjahr 2019 213 Millionen Eintritte), die jetzt auf VOD, Streaming und Pay-TV abwandern. Werden sie in ein paar Monaten wieder zu ihren früheren Konsumgewohnheiten zurückkehren, falls ihr Kino dann noch existiert?

In einer seiner Ansprachen zum Thema Covid-19 warnte Macron seine Landsleute: „Der Tag von morgen wird nicht wie der Tag von gestern aussehen.“ Das hat man in der Kultur besonders deutlich verstanden.

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