Weitere Politikerinnen betroffen

Nach der Hessin Janine Wissler bekamen nun zwei weitere Linke-Abgeordnete Drohbriefe, die von einem „NSU 2.0“ verschickt wurden. Wieder enthielten die Schreiben Daten, die nicht öffentlich bekannt sind

Von Konrad Litschko

Die aktuelle Serie von „NSU 2.0“-Drohschreiben weitet sich aus. Nach der hessischen Linken-Fraktionschefin Janine Wissler erhielten nach taz-Informationen zuletzt auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die Linken-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus Anne Helm Drohschreiben desselben Absenders. Auch darin waren persönliche, öffentlich nicht bekannte Informationen über die Politikerinnen enthalten.

Wissler bekam bereits Mitte Februar ein erstes Schreiben, das mit „NSU 2.0“ unterzeichnet war – inklusive Naziparolen und Drohungen. Der Absender benannte persönliche Kontaktdaten der Linken-Politikerin. Sie wandte sich daraufhin an die Polizei, die feststellte, dass ihre Daten kurz zuvor von einem Polizeicomputer in Wiesbaden abgerufen worden waren.

Ein Beamter wurde ausfindig gemacht, bestreitet laut Spiegel-Informationen allerdings, die Daten abgefragt zu haben. Andere Polizisten hätten über seinen Account die Suche getätigt. In den Ermittlungen wird der befragte Beamte lediglich als „Zeuge“ geführt. Eine Durchsuchung seines privaten Computers soll es nicht gegeben haben.

Bereits eine Woche nach dem ersten Schreiben im Februar hatte Wissler ein zweites erhalten. Zwei weitere „NSU 2.0“-Drohmails folgten vor wenigen Tagen. Diese gingen nun parallel auch an weitere Absender, darunter Martina Renner und Anne Helm. Den Linken-Politikerinnen wird in den Schreiben ein „Todesurteil“ ausgesprochen – verbunden mit öffentlich unbekannten Daten.

Die drei Politikerinnen sind für ihr Engagement gegen Rechts­extremismus bekannt. Renner machte den Ermittlern schwere Vorwürfe. „Das LKA Hessen hat bei der Aufklärung der Drohserie bisher komplett versagt“, erklärte sie gegenüber der taz. „Es ist ein schweres Versäumnis von Innenminister Beuth, sich erst jetzt um die Morddrohungen gegen engagierte Frauen zu kümmern.“

Das LKA Hessen äußerte sich vorerst nicht zu dem Vorgang. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main lehnte eine Stellungnahme aufgrund der laufenden Ermittlungen ab. Schon seit August 2018 hatte die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die im NSU-Prozess Opferfamilien vertrat, wiederholt Drohschreiben eines „NSU 2.0“ erhalten.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) zeigte sich erbost, dass er im Fall Janine Wissler erst am Mittwoch vom LKA Hessen über die Datenabfrage von einem Polizeicomputer im Februar informiert wurde. Dies sei angesichts der Bedeutung des Vorgangs „völlig inakzeptabel“. Beuth will nun einen Sonderermittler einsetzen, der die Ermittlungen zu den Drohmails federführend übernehmen und direkt an den Landespolizeipräsidenten berichten soll. Auch soll künftig jeder Polizist bei Datenabfragen in den polizeilichen Systemen einen dienstlichen Grund dokumentieren müssen.